Der Morbus Pompe ist eine seltene hereditäre Muskelerkrankung, die sich entweder als infantile Form (IOPD/„infantile onset Pompe disease“) bereits im Säuglings- und Kindesalter oder erst in der Jugend oder dem Erwachsenenalter (LOPD/late onset Pompe disease) entwickelt. Der Krankheitsverlauf bei Late-onset-Morbus-Pompe ist sehr variabel; bei der adulten Form kommt es mehrheitlich zu respiratorischer Insuffizienz (u.a. Zwerchfellschwäche) und Gliedergürtelschwäche, vor allem im Bereich der Beckenmuskulatur. Es resultieren Probleme beim Sport (Ausdauer), beim Treppensteigen oder beim Aufstehen. Klinisch zeigt sich ein auffälliges Gangbild; Stürze und Muskelkrämpfe sind typisch. Manche Betroffene benötigen im Verlauf der Erkrankung einen Rollstuhl oder eine maschinelle Atmungsunterstützung. Organbeteiligungen von Herz oder Leber sind hingegen bei der adulten Form deutlich seltener als beim kindlichen Morbus Pompe.
Ursache der Erkrankung ist ein angeborener Mangel des Enzyms α-Glukosidase aufgrund einer Genmutation. Seit 2006 steht für den M. Pompe als kausale Therapie ein Enzymersatzverfahren zur Verfügung (Alglucosidase alfa/AL alle zwei Wochen intravenös), wodurch die Progression für einige Jahre, jedoch nicht dauerhaft verlangsamt werden kann. Die weiterentwickelte Substanz Avalglucosidase alfa/AVA ist seit 2021 in Europa zugelassen. Das neue Präparat zeigte in der Phase-3-Nichtunterlegenheitsstudie COMET (Comparative Enzyme Replacement Trial With neoGAA Versus rhGAA [2]) im direkten Vergleich über 49 Wochen gegenüber AL eine mindestens gleich gute, in manchen Endpunkten sogar bessere Wirkung. An der Studie hatten 100 bisher unbehandelte LOPD-Patientinnen und -Patienten (16-78; im Mittel 48 Jahre) teilgenommen. Sie erhielten doppelblind 1:1-randomisiert über 49 Wochen alle zwei Wochen entweder AL (20 mg/kg) oder AVA (20 mg/kg). Nach Woche 49 wurden die Teilnehmenden der AL-Gruppe auf AVA umgestellt; bis Woche 97 erhielten somit alle Teilnehmenden AVA.
Nun wurden die Ergebnisse der COMET-Verlängerungsstudie von Woche 49 bis 97 (letzter Follow-up im Februar 2021) aus 55 Zentren in 20 Ländern veröffentlicht [1]. Von 95 Teilnehmenden der Verlängerungsphase (im Mittel 48,3 Jahre alt; 10-79; 54% männlich) konnten 86 bis Studienende nachbeobachtet werden.
Vom Studienbeginn bis Woche 97 stieg bei den Teilnehmern, die von Anfang an AVA erhalten hatten, die forcierte Vitalkapazität (FVC, primärer Endpunkt) um 2,65 Prozent an, wobei die grösste Verbesserung in den ersten 49 Wochen stattfand. Bei den von AL auf AVA umgestellten Teilnehmenden blieb die FVC nach Umstellung auf AVA ebenfalls stabil, die gesamte Verbesserung von Studienbeginn lag jedoch nur bei 0,36 Prozent. Im 6-Minuten-Gehtest hatte sich in der AVA-AVA-Gruppe die Gehstrecke im Mittel um insgesamt 18,60 m verlängert – gegenüber 4,56 m in der AL-AVA-Gruppe.
Insgesamt blieben auch die bis Woche 49 erreichten Verbesserungen sekundärer Endpunkte wie weitere Lungenfunktionsparameter, Motorik, Muskelkraft, Ausdauer und gesundheitsbezogene Lebensqualität in beiden Studienarmen bis Woche 97 erhalten. Nebenwirkungen traten in beiden Studienarmen in ähnlichem Umfang auf: bei 29 Teilnehmern (56,9 %) mit AVA-AVA und bei 25 Teilnehmern (56,8 %) mit AL-AVA. Tendenziell schien AVA etwas besser verträglich zu sein. «Über beide Studienzeiträume zeigte Avalglucosidase bei bislang unbehandelten Patientinnen und Patienten mit spätem Beginn eines M. Pompe eine bessere Wirkung. Die Teilnehmer, die von Beginn an AVA erhalten hatten, profitierten insgesamt mehr – auch bei Umstellung von AL auf AVA wurde in der Verlängerungsphase nicht das Niveau der Verbesserungen der AVA-AVA-Gruppe erreicht», so Prof. Dr. Hagenacker, Essen. «Es kann also sinnvoll sein, gleich von Beginn an Avalglucosidase zu geben, um einen optimalen Nutzen zu erzielen.»
Zwar scheint eine Verbesserung der Atemfunktion um ca. 3 % oder eine Gehstreckenverlängerung um 20 m objektiv nicht viel zu sein, aber, wie der Experte betont, könne das für den einzelnen Betroffenen im Alltagsleben durchaus einen Unterschied im Hinblick auf die Lebensqualität machen. Nun müsse weiter beobachtet werden, wie sich der Therapienutzen langfristig weiterentwickelt, ob er ggf. nach fünf oder zehn Jahren noch deutlicher ausfällt.
«Die tendenziell bessere Wirkung und Verträglichkeit von AVA gibt Anlass zur Hoffnung und zeigt, wie wichtig die konsequente Weiterentwicklung von Therapien ist, und zwar gerade auch im Bereich der sogenannten ‚orphan diseases‘. Da 80 % aller seltenen Erkrankungen sich mit neurologischen Symptomen zeigen, nehmen diese Krankheitsbilder in der neurologischen Forschung und Ausbildung bereits heute einen hohen Stellenwert ein, der immer weiter wächst» erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär und Pressesprecher der DGN.PS