Home/Sind seltene Erbkrankheiten gar nicht so selten?
imageBild: Pixabay

Sind seltene Erbkrankheiten gar nicht so selten?

Hinter seltenen Krankheiten stecken oft Fehler im Erbgut. Erhalten Kinder nur von einem Elternteil ein defektes Gen, sind sie symptomlose «Träger» – so die bisherige Annahme. Ein Forschungsteam der Universität und des Universitätsspitals Basel berichtet nun aber anderes.

Universität Basel24.5.20232"
Jedes Kind erhält je einen Chromosomensatz von der Mutter und einen vom Vater. Vom Grossteil aller Gene besitzt jeder Mensch daher je zwei Exemplare – «Allele» genannt. Viele seltene Erbkrankheiten treten nur dann zutage, wenn beide Allele eines Gens einen Defekt tragen. Ist nur eines betroffen, kann das andere kompensieren, und es treten keine Symptome auf. Man spricht auch von «rezessiven» Erbkrankheiten.

Dazu gehören viele immunologische Störungen, die auf Mutationen in einem der schätzungsweise 2500 bis 5000 immunsystemrelevanten Gene beruhen. Diese zeigen sich durch Infektanfälligkeit oder Autoimmunität.

Träger eines defekten Allels sind ebenfalls gefährdet
Forscher um Prof. Dr. Mike Recher von der Universität Basel und dem Universitätsspital Basel zeigen nun exemplarisch an einer rezessiven Erbkrankheit, dass auch der Defekt in nur einem Allel das Risiko birgt, dass die Funktion des Immunsystems eingeschränkt ist. «Solche Fälle wurden bisher zu oft ignoriert, davon ausgehend, dass nur Defekte in beiden Allelen problematisch sind», so Recher. «Tatsächlich können Träger aber lebensbedrohlich erkranken, oft im Erwachsenenalter und mit teilweise neuartigen Symptomen.»

Zu wenig Enzym für volle Funktion
In ihrer Studie berichten die Forscher von Mutationen im Bauplan für ein Enzym, das für die Vielfalt an Antikörpern und T-Zellen entscheidend ist. Mutationen in beiden Allelen dieses Gens namens LIG4 führen zu einer massiven Störung der Immunabwehr und in der Folge zu einem hohen Risiko für schwere Infektionen bereits im frühen Kindesalter.

Die Träger nur eines defekten LIG4-Allels galten bisher als symptomlos. Recher und sein Team am Departement Biomedizin berichten nun aber von mehreren Fällen, in denen Personen dennoch ein schweres, aber nur teilweise an die «Muttererkrankung» erinnerndes Krankheitsbild zeigten. «Nur ein funktionierendes LIG4-Gen scheint bei ihnen nicht auszureichen», so der Immunologe.

Unerkannte Risiken
In den Tausenden am menschlichen Immunsystem beteiligten Genen gibt es viele Mutationen in nur einem Allel, deren Bedeutung für eine funktionierende Immunabwehr im Verlauf eines ganzen Lebens noch unzureichend bekannt ist. «Unsere und weitere neue Ergebnisse zeigen, dass solche Defekte viel häufiger als angenommen Ursache für bisher unerklärte Immunstörungen sein können.»

«Wir vermuten, dass seltene rezessive Erbkrankheiten teilweise noch unbeschriebene häufigere Gegenstücke haben, mit teilweise neuartigen Symptomen, tendenziell späterem Auftreten im Leben und anderem Vererbungsmuster», fasst Recher zusammen. Es werde jedoch auch weiterhin gesunde Träger geben. «Neben der Genetik spielen Umweltfaktoren wie Infektionen oder die Epigenetik eine Rolle.»

Wichtig sei, die neuen Erkenntnisse bei der Diagnostik zu berücksichtigen. «Wenn man molekular versteht, was das Problem ist, können sich plötzlich sehr gezielte, oft nebenwirkungsarme Behandlungsmöglichkeiten auftun, die nicht nur die Symptome, sondern die Ursache bekämpfen.»PS

  • Zur Originalpublikation
Jauch AJ et al.: Autoimmunity and immunodeficiency associated with monoallelic LIG4 mutations via haploinsufficiency. Journal of Allergy and Clinical Immunology (2023), doi: 10.1016/j.jaci.2023.03.022

Quelle: Universiträt Bsael/Medienmitteilung, 23.05.2023

Rosenbergstrasse 115
8212 Neuhausen am Rheinfall
Telefon: +41 52 675 51 74
info@docinside.ch
www.docinside.ch

Handelsregistereintrag
Firmenname: DOCINSIDE AG
UID: CHE-412.607.286

Über uns
Bankverbindung

Schaffhauser Kantonalbank
8200 Schaffhausen
IBAN: CH76 0078 2008 2797 0810 2

Mehrwertsteuer-Nummer
CHE-412.607.286

Kontakte

Dr. med. Adrian Müller
Betrieb und Inhalte
adrian.mueller@docinside.ch

Dr. med. Richard Altorfer
Inhalte und Redaktion
richard.altorfer@docinside.ch

Dr. med. Christine Mücke
Inhalte und Redaktion
christine.muecke@docinside.ch

Copyright © 2021 Alle Rechte vorbehalten.
Powered by Deep Impact / Spectra