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imageDie menschliche Leber besteht aus Zellen mit unterschiedlichen Mengen an DNA. Die meisten Zellen haben nur zwei DNA-Sätze, wie die mit einem weißen Pfeil markierte Zelle. Einige Zellen haben mehr DNA-Sätze, wie die mit gelben Pfeilen markierten Zellen. Diese verschiedenen Zelltypen in der Leber erneuern sich unterschiedlich. Bild: TU Dresden

Wie alt ist die menschliche Leber?

Die Leber hat eine einzigartige Fähigkeit, sich nach einer Verletzung zu regenerieren. Es war jedoch unbekannt, ob diese Kapazität im Laufe des Lebens abnimmt. Internationale Forschende unter der Leitung von Dr. Olaf Bergmann vom Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) an der TU Dresden verwendeten die retrospektive Radiokohlenstoff-Geburtsdatierung, um das Alter der menschlichen Leber zu bestimmen.

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Da die Leber ständig in Kontakt mit giftigen Stoffen ist, kann sie leicht geschädigt werden. Um dies auszugleichen, besitzt sie ein einzigartiges Vermögen, sich nach einer Verletzung zu regenerieren. Weil die Fähigkeit des Körpers, sich selbst zu heilen und zu regenerieren, im Laufe des Lebens abnimmt, fragten sich die Forschenden, ob auch die Erneuerung der Leber mit dem Alter sinkt.

Ebenso blieben einige Grundlagen der Lebererneuerung beim Menschen ein Rätsel. Tiermodelle lieferten dazu nur widersprüchliche Antworten. «Einige Studien wiesen auf die Möglichkeit hin, dass Leberzellen langlebig sind, während andere einen konstanten Umsatz zeigten. Uns war klar: um zu wissen, was beim Menschen passiert, müssen wir einen Weg finden, das Alter der menschlichen Leberzellen direkt zu bestimmen», sagt Dr. Olaf Bergmann, Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der TU Dresden.

Die menschliche Leber bleibt ein junges Organ
Das interdisziplinäre Team aus Forschenden der Fachgebiete Biologie, Physik und Mathematik sowie klinischen Fachkräften unter der Leitung von Dr. Bergmann analysierte die Lebern mehrerer Personen, die im Alter zwischen 20 und 84 Jahren gestorben waren. Überraschenderweise stellte das Team fest, dass die Leberzellen aller Probanden mehr oder weniger das gleiche Alter hatten.

«Egal, ob man 20 oder 84 Jahre alt ist, die Leber bleibt im Durchschnitt unter drei Jahre alt», erklärt Dr. Bergmann. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anpassung der Lebermasse an die Bedürfnisse des Körpers durch den ständigen Austausch von Leberzellen genau geregelt ist. Dieser Prozess bleibt auch bei älteren Menschen erhalten. Dieser ständige Austausch von Leberzellen ist für verschiedene Aspekte der Leberregeneration und der Krebsentstehung von Bedeutung.

Leberzellen mit mehr DNA erneuern sich weniger
Allerdings sind nicht alle Zellen in unserer Leber so jung. Ein Teil der Zellen kann bis zu 10 Jahre alt werden, bevor sie sich erneuern. Diese Unterpopulation von Leberzellen trägt mehr DNA als die typischen Zellen. «Die meisten unserer Zellen haben zwei Chromosomensätze, aber einige Zellen akkumulieren mit zunehmendem Alter mehr DNA. Am Ende können solche Zellen vier, acht oder sogar mehr Chromosomensätze tragen», erklärt Dr. Bergmann.

«Als wir typische Leberzellen mit den DNA-reicheren Zellen verglichen, fanden wir grundlegende Unterschiede in ihrer Erneuerung. Typische Zellen erneuern sich etwa einmal im Jahr, während die DNA-reicheren Zellen bis zu einem Jahrzehnt in der Leber verbleiben können», sagt Dr. Bergmann. «Da dieser Anteil im Laufe des Lebens allmählich zunimmt, könnte dies ein Schutzmechanismus sein, der uns im Alter vor der Anhäufung schädlicher Mutationen bewahrt. Wir müssen herausfinden, ob es ähnliche Mechanismen bei chronischen Lebererkrankungen gibt, die sich in einigen Fällen zu Krebs entwickeln können.»

Lehren aus dem radioaktiven Niederschlag
Die Bestimmung des biologischen Alters menschlicher Zellen ist eine enorme technische Herausforderung, weil die üblicherweise in Tiermodellen verwendeten Methoden nicht auf den Menschen übertragen werden können.

Die Gruppe von Dr. Bergmann hat sich auf die retrospektive Radiokohlenstoff-Geburtsdatierung spezialisiert und verwendet diese Technik zur Bestimmung des biologischen Alters von menschlichem Gewebe. «Archäologen nutzen den Zerfall von Radiokohlenstoff seit vielen Jahren erfolgreich, um das Alter von Proben zu bestimmen, zum Beispiel bei der Datierung des Turiner Grabtuchs", sagt Dr. Bergmann. «Der radioaktive Zerfall von Radiokohlenstoff ist sehr langsam. Er bietet eine ausreichende Auflösung für Archäologen, ist aber nicht geeignet, um das Alter menschlicher Zellen zu bestimmen. Trotzdem können wir den Radiokohlenstoff in unserer Forschung nutzen.»

Die in den 1950er Jahren durchgeführten oberirdischen Kernwaffentests brachten massive Mengen an Radiokohlenstoff in die Atmosphäre, in Pflanzen und in Tiere ein. Infolgedessen haben Zellen, die in dieser Zeit entstanden sind, höhere Mengen an Radiokohlenstoff in ihrer DNA.
Nach dem offiziellen Verbot oberirdischer Kernwaffentests im Jahr 1963 begannen die Mengen an atmosphärischem Radiokohlenstoff zu sinken und damit auch an dem Radiokohlenstoff, der in die tierische DNA eingebaut wurde. Die Werte von atmosphärischem und zellulärem Radiokohlenstoff stimmen sehr gut überein.

«Auch wenn es sich um winzige Mengen handelt, die nicht schädlich sind, können wir sie in Gewebeproben nachweisen und messen. Durch den Vergleich der Werte mit dem atmosphärischen Radiokohlenstoff können wir rückwirkend das Alter der Zellen bestimmen», erklärt Dr. Bergmann.
«Unsere Forschung zeigt, dass die direkte Untersuchung der Zellerneuerung beim Menschen technisch sehr anspruchsvoll ist, aber unvergleichliche Einblicke in die zugrundeliegenden zellulären und molekularen Mechanismen der menschlichen Organregeneration liefern kann», schliesst Dr. Bergmann.PS

  • Zur Originalpublikation
Heinke P et al.: Diploid hepatocytes drive physiological liver renewal in adult humans. Cell Systems (Mai 2022)

Quelle: TU Dresden/Pressemitteilung, 31.05.2022

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