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imageGewebeschnitt eines Brusttumors einer Maus: Matrix-​Kanäle (grün) teilen das Tumorgewebe (blau) und bilden Nischen für Immunzellen (rot), die so die Tumorzellen nicht mehr erreichen und töten können. (Bild: ETH Zürich; Fonta et al., Matrix Biol. 116, 2023)

Wie Tumoren Blutgefässe umwandeln

Im immer dichter werdenden Zellhaufen von wachsenden Tumoren verwandeln sich Blutgefässe in Kanäle, die mit Fasern vollgestopft sind. Das schwächt die Abwehrkraft von Immunzellen, wie Forschungsresultate der ETH Zürich und der Université Strasbourg nahelegen.

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Vor knapp zehn Jahren machten Forscher erstmals die Beobachtung, dass Tumoren verschiedener Krebsarten wie Darmkrebs, Brustkrebs oder schwarzer Hautkrebs Kanäle aufweisen, die von der Oberfläche ins Innere des Zellhaufens führen. Doch wie diese Kanäle entstehen und welche Funktionen sie ausüben, blieb lange im Verborgenen.

Blutgefässe werden «tumor tracks»
Nun haben die Forschungsgruppen um Viola Vogel, Professorin für angewandte Mechanobiologie an der ETH Zürich, und um Gertraud Orend von der Université Strasbourg mögliche Antworten auf diese Fragen gefunden: Vieles deutet darauf hin, dass die als «tumor tracks» bezeichneten Kanäle von Blutgefässen abstammen.

Zu Beginn versorgen Blutgefässe den rasch wachsenden Zellhaufen mit Zucker und Sauerstoff. Doch dann durchlaufen die Gefässe einen Prozess, während dem sie ihre ursprüngliche bluttransportierende Funktion verlieren, weil sich die Gefässwand verändert und sich der Gefässhohlraum allmählich ausfüllt.

Proteinfasern verändern Immunzellfunktion
Das Füllmaterial besteht vor allem aus Zellen und neugemachten Proteinfasern, die zur extrazellulären Matrix gehören. Neben Kollagenfasern finden sich auch Fasern aus Fibronektin. Sie sind an Wachstumsprozessen beteiligt, die sich überwiegend während der Embryonalentwicklung oder der Wundheilung abspielen. In den in Tumorkanäle umgewandelten Blutgefässen sind die Fasern in der Lage, Immunzellen festzuhalten, wie die Forscher in ihrem Fachbeitrag aufzeigen.

Denn die Zellen strecken sich entlang der Kanäle und haften an den losen Fibronektin-Fasern. «In dieser langgezogenen Form beteiligen sich die Immunzellen nicht am Abwehrkampf, sondern unterstützen Heilungsprozesse», sagt Vogel. Anstatt sich gegen die Tumorzellen zu richten, scheiden die Immunzellen wachstumsfördernde Moleküle aus – und helfen so den Krebszellen, sich zu vermehren.

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Grafik: ETH Zürich
Bisher verkannte Rolle der Gewebespannung
Offenbar spielt die von der extrazellulären Matrix vermittelte Gewebespannung eine wichtige und bisher nicht bekannte Rolle in der Entwicklung eines Tumors, denn die Fibronektin-Fasern sind im gesunden Gewebe stark gestreckt – und nur im Tumorgewebe schlaff. In dieser lockeren, entspannten Form, umgeben von transformierten Gefässwänden, schaffen die Fibronektin-Fasern offenbar eine Nische, in der die Krebszellen ungestört wachsen können.

Bisher seien meist die Zellen im Fokus der Krebsforschung gestanden, meint Vogel. «Die extrazelluläre Matrix wurde vernachlässigt.» Dadurch blieb unentdeckt, wie die Umgebung Zellfunktionen steuert. «Aber wenn man verstehen will, wie eine Spinne funktioniert, muss man auch ihr Netz berücksichtigen», sagt die Biophysikerin.

Analogien und Unterschiede finden
Die neuen Erkenntnisse versteht Vogel deshalb auch als Denkanstoss, um den Blickwinkel zu erweitern – und so unser Verständnis zu verfeinern. «Denn je besser wir verstehen, was Tumorzellen brauchen, um sich zu vermehren, desto eher finden wir auch Möglichkeiten, wie wir diese Vermehrung verhindern können», sagt Vogel.

Sie gibt allerdings zu bedenken, dass die Resultate aus Versuchen an Mäusen mit Brustkrebs stammen. Ob sie sich direkt auf das Krebsgeschehen im Menschen übertragen lassen, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Allerdings gibt es einige Parallelen, wie die Gruppe um Orend kürzlich mit einer Studie aufzeigt hat.

Derweil hat die Forschungsgruppe von Viola Vogel eine Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital Baden begonnen: Einer ihrer Doktoranden untersucht in einem Folgeprojekt, ob sich auch in Gewebeproben von Brustkrebspatientinnen Spuren von umgewandelten Blutgefässen finden lassen. «Wo finden wir Analogien – und wo Unterschiede?», fragt Vogel.PS

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