Luftverschmutzung schadet nicht nur der Lunge – sie wirkt sich auch auf das Gehirn aus. Das zeigt eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von 51 Studien mit Daten aus Europa, Nordamerika, Asien und Australien.
Demnach steigt das Risiko für eine Demenzerkrankung deutlich, wenn Menschen über längere Zeit bestimmten Luftschadstoffen ausgesetzt sind.
Die
Studie wurde in «The Lancet Planetary Health» veröffentlicht.
Drei Schadstoffe im Fokus
Die Forschenden identifizierten drei Luftbestandteile, die mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden sind:
- Feinstaub (PM2.5): Ultrafeine Partikel, die etwa aus Abgasen, Industrieprozessen, Holzöfen und Baustellen stammen. Sie können tief in die Lunge und über die Blutbahn bis ins Gehirn gelangen.
- Stickstoffdioxid (NO₂): Ein Gas, das vor allem bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht, etwa in Dieselabgasen und Gasheizungen.
- Russ: Entsteht beim Verbrennen von Kohle, Holz und Kraftstoffen, kann in die Atemwege eindringen und Entzündungen fördern.
Bereits geringe Konzentrationen schädlich
Besonders stark fiel der Zusammenhang bei PM2.5 aus:
- Pro 10 μg/m³ Zunahme stieg das Demenzrisiko um 17 %.
- Bei NO₂ betrug die Zunahme 3 % pro 10 μg/m³.
- Für Russ (als Bestandteil von PM2.5) zeigte sich ein Anstieg um 13 % pro 1 μg/m³.
Zum Vergleich: Der durchschnittliche NO₂-Wert in Zentrallondon lag 2023 bei 33 μg/m³, der PM2.5-Wert bei 10 μg/m³ und der Russwert bei 0.93 μg/m³.
Aber wie kommt es zur Schädigung des Gehirns? Die Forschenden führen dies auf Entzündungsprozesse und oxidativen Stress zurück, ausgelöst durch eingeatmete Schadstoffe. Diese Prozesse sind bekannt dafür, die Entstehung und das Fortschreiten von Demenz, insbesondere Alzheimer und vaskulärer Demenz, zu fördern.
Die Analysen deuten darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und vaskulärer Demenz – verursacht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn – möglicherweise stärker ist als bei Alzheimer. Aufgrund der begrenzten Datenlage konnte jedoch keine statistisch gesicherte Aussage getroffen werden.
Aufruf zu politischen Massnahmen
Die Studienautorinnen und -autoren fordern strengere Grenzwerte für Luftschadstoffe, insbesondere in Städten und Industriegebieten.
«Die Prävention von Demenz ist nicht nur Aufgabe des Gesundheitswesens: Diese Studie untermauert, dass Stadtplanung, Verkehrspolitik und Umweltvorschriften ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.» Dr. Christiaan Bredell, University of Cambridge.
Gleichzeitig warnen sie vor einer sozialen Schieflage: Die meisten bisherigen Studien betreffen wohlhabende Länder mit weisser Mehrheitsbevölkerung – obwohl marginalisierte Gruppen oft einer höheren Belastung ausgesetzt sind. Künftige Forschung müsse diese Bevölkerungsgruppen gezielter einbeziehen.