In ihrer Meta-Analyse verglichen die Wissenschaftler
- die Standardtherapie − eine Operation kurz nach dem Unfall,
- und einen konservativen Therapieansatz, bei dem der Patient zunächst Physiotherapie erhält und das Knie nur dann operiert wird, wenn es nach der Rehabilitation noch nötig ist.
Bei jungen, agilen Patienten empfiehlt die
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) «Vordere Kreuzbandruptur» eine chirurgische Rekonstruktion des Kreuzbandes. «Eine Operation ist immer mit Risiken für den Patienten verbunden. Es gibt einen langen Heilungsprozess und erhebliche finanzielle Kosten für das Gesundheitssystem. Deshalb wollten wir überprüfen, ob der Ansatz, immer sofort zu operieren, wirklich der einzig richtige Weg ist», erklärt Prof. Dr. Daniel Belavy, Professor für Physiotherapie an der Hochschule für Gesundheit in Bochum und Letztautor der Studie.
Deutliche, ähnliche Verbesserung der Kniefunktion
Das Team schloss neun Publikationen aus drei verschiedenen randomisierten kontrollierten Studien in die Analyse ein. Sie stellten fest, dass unabhängig davon, welche der beiden Behandlungsansätze gewählt wurde, eine deutliche und ähnliche Verbesserung in der Kniefunktion erreicht werden konnte. Zudem konnten sie zeigen, dass eine frühe chirurgische Rekonstruktion des Kreuzbands keinen schützenden Effekt gegen das zukünftige Auftreten einer Kniearthrose hatte. Nach Ansicht der Autoren sind jedoch weitere Studien nötig, um die Evidenz der Ergebnisse zu erhöhen. Bei Patienten mit Meniskusschaden des Knies fanden die Autoren einen leichten Vorteil für Patienten mit sofortiger vorderer Kreuzbandrekonstruktion, wobei die die Evidenz dieses Ergebnisses ebenfalls als gering eingeschätzt wurde.
Patientenzentrierte Behandlungsform
Da es keine klinisch bedeutsamen Unterschiede zwischen den Behandlungsansätzen gab, schlagen die Autoren eine patientenzentrierte Behandlungsform vor. Abhängig von der medizinischen Situation der Patienten, den individuellen anatomischen Unterschieden und den funktionellen Anforderungen im Alltag und/oder Sport sollte mit dem behandelnden Arzt oder Therapeuten eine individuelle Behandlungsstrategie festgelegt werden, so die Autoren.
Für viele Patienten mit Kreuzband-Verletzungen ohne schwerwiegende Begleitverletzungen sei ein stufenweiser Behandlungsansatz mit einer primär rehabilitationsorientierten Behandlung sinnvoll, insbesondere im Hinblick auf die Kosteneffizienz und die Vermeidung von Operationsrisiken, so die Wissenschaftler.
«Die Ergebnisse stellen das historische Paradigma in Frage, dass anatomische Instabilität mit einem primären chirurgischen Ansatz angegangen werden sollte», so die Autoren.
Das Team wählte einen «Living Systematic Reviews»-Ansatz, bei dem sich die Autoren verpflichten, ihre Ergebnisse einmal jährlich zu aktualisieren. Es wurden aktuell drei weitere Studien identifiziert, die derzeit laufen und der Analyse hinzugefügt werden, sobald ihre Ergebnisse verfügbar sind.PS