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imageBild: Universität Bern

Wie reagiert das Mikrobiom im Dünndarm auf die Ernährung?

Die bisher kaum bekannte Darmflora des Dünndarms und deren einzigartige Anpassungsfähigkeit konnten Forscher der Universität Bern und des Inselspitals erstmals umfassend untersuchen. Ihre Erkenntnisse tragen dazu bei, die Entstehung von Darmkrankheiten wie Morbus Crohn oder Zöliakie besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln.

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Der Mensch verfügt über gleich viele Darmbakterien wie Zellen im Körper. Der grösste Teil dieser überwiegend nützlichen Bakterien befindet sich im Dickdarm. Die Darmbakterien sind ein wichtiger Teil unserer Verdauung, da sie unter anderem Energie aus vielen Nahrungsfasern gewinnen können, die von den Verdauungsenzymen nicht verarbeitet werden. Dabei spielt der Dünndarm eine lebenswichtige Rolle, da er 90% aller Kalorien aufnimmt.

Dünndarm weitgehend unzugänglich
Die Bakterien des Dünndarms zu untersuchen, war bisher aber weitgehend unmöglich: Während es zwar einfach ist, Stuhlproben zu sammeln, war der Dünndarm bisher weitgehend unzugänglich, da dieser nur während eines chirurgischen Eingriffs oder nach einer Spülung des Darminhalts, die es braucht, um das sichere Durchführen eines Endoskops zu ermöglichen, erreicht werden kann. Entsprechend blieb die Darmflora des menschlichen Dünndarms nahezu eine «terra incognita».

Flexible Anpassung an Ernährungszustand
Nun konnten Forscher um Andrew Macpherson und Bahtiyar Yilmaz vom Department for Biomedical Research der Universität Bern und Universitätsklinik für Viszeralchirurgie und -medizin des Inselspitals die Darmbakterien des menschlichen Dünndarms auf eine einfache und innovative Art untersuchen und zeigen, wie diese den Verdauungsprozess unterstützen, indem sie sehr dynamisch auf den menschlichen Ernährungszustand reagieren.

Während die Darmbakterien des Dickdarms im Laufe des Lebens relativ stabil bleiben, erwiesen sich die Darmbakterien des Dünndarms als sehr instabil:
  • sie verschwinden weitgehend, wenn wir über Nacht fasten, und
  • tauchen wieder auf, wenn wir morgens essen.
Diese Erkenntnisse sind wichtig für ein besseres Verständnis der Entstehung von Darmkrankheiten wie Zöliakie oder Morbus Crohn.

Künstlicher Darmausgang: Direkter Zugriff auf Darmbakterien
Die Forscher konnten Patienten untersuchen, bei denen das Ileum wegen Krebs operiert wurde. Bei diesen geheilten Patienten liegt das Ileum nun in einem künstlichen Darmausgang an der Bauchdecke an. So hatten die Forscher direkten Zugriff auf die Darmbakterien und konnten das Geschehen in «Echtzeit» untersuchen. Dabei zeigte sich, dass die Zahl der Bakterien im Ileum in hohem Masse vom Ernährungszustand der Patienten abhängt: Zeiten ohne Nahrung lassen die Bakterien des Dünndarms weitgehend verschwinden. Nach einer Mahlzeit «blühen» sie wieder auf.

Trotz dieser ernährungsbedingten Schwankungen der «Biomasse» sterben die verschiedenen Bakterienarten nicht aus, auch wenn sie sich zahlenmässig auf sehr geringem Niveau bewegen. «Vielmehr besteht jede Art aus einer grossen Anzahl von Unterarten, die zusammen vorkommen und die Anteile der einzelnen Unterarten ändern sich innerhalb von Stunden nach dem Verzehr einer Mahlzeit sehr schnell», sagt Dr. Bahtiyar Yilmaz, Erstautor und korrespondierender Autor der Studie.

Effektive und einfache Methode
Die Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung von Proben aus künstlichen Darmausgängen sehr effektiv und einfach ist, um die Darnflora des Dünndarms zu charakterisieren. Die Forscher konnten auch nachweisen, dass die Proben von Patienten mit künstlichem Darmausgang repräsentativ sind für die Darmflora des Dünndarms ohne Operation.

«Ökosystem» im Dünndarm
«Wir vergleichen diese Veränderungen der Darmbakterien im Dünndarm mit einem Ökosystem», erklärt Andrew Macpherson, Leiter der Studie und Letztautor. «Durch die Veränderungen kann jede Bakterienart sich an eine wechselnde Umgebung im Dünndarm mit Unterarten anpassen und somit verhindern, dass die Art ausstirbt». Auf diese Weise vermeiden die Darmbakterien Verluste – es sei denn, es treten «Engpässe» durch Krankheiten, Fehlernährung oder Umweltbelastungen auf.

Die Erkenntnisse können dazu beitragen, die Wechselwirkungen zwischen Wirt und Darmbakterien bei Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Zöliakie oder Colitis ulcerosa zu verstehen und die Grundlage bilden für neue Therapieansätze.

Die Studie wurde durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und den Europäischen Forschungsrat (ERC) finanziert.PS

  • Zur Originalpublikation
Yilmaz B et al.: Plasticity of the adult human small intestinal stoma microbiota, Cell Host & Microbe. 2022; 30, 1-15, DOI: 1016/j.chom.2022.10.002

Quelle: Universität Bern/Medienmitteilung, 01.11.2022

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