Antidepressiva gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten weltweit – in Europa und Nordamerika nehmen sie bis zu 20 Prozent der Erwachsenen ein. Doch wie stark sie den Körper beeinflussen, war bislang unklar.
Forschende des Institute of Psychiatry, Psychology & Neuroscience (IoPPN) am King’s College London und der Universität Oxford haben nun Daten aus 151 randomisierten Studien mit über 58 000 Teilnehmenden ausgewertet. Verglichen wurden 30 Antidepressiva über eine Anwendungsdauer von durchschnittlich 8 Wochen.
Das Ergebnis: Es bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Präparaten – selbst bei kurzen Behandlungsdauern.
Deutliche Unterschiede
«Diese Medikamente sind nicht identisch – manche können in kurzer Zeit zu spürbaren Veränderungen von Gewicht, Herzfrequenz und Blutdruck führen», erklärt Toby Pillinger, Psychiater am IoPPN und Seniorautor der Studie, in einer
Medienmitteilung.
So zeigte sich etwa ein Unterschied von bis zu vier Kilogramm im durchschnittlichen Gewichtsverlauf zwischen einzelnen Wirkstoffen: Bei Agomelatin kam es im Mittel zu einem Gewichtsverlust von 2,5 kg, während Maprotilin eine Gewichtszunahme von rund 2 kg verursachte.
Ähnlich deutlich waren die Unterschiede in der Herzfrequenz – mit einer Spannweite von 21 Schlägen pro Minute zwischen Fluvoxamin (-8 Schläge/min) und Nortriptylin (+14 Schläge/min).
SSRIs schneiden am besten ab
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), die am häufigsten verschriebene Wirkstoffklasse, zeigten laut den Forschenden vergleichsweise wenige körperliche Nebenwirkungen. «Das ist beruhigend», so Pillinger. «Aber bei anderen Antidepressiva kann eine engmaschigere Kontrolle der körperlichen Gesundheit sinnvoll sein.»
Denn: Trotz einer durchschnittlich beobachteten Gewichtsabnahme, war eine Einnahme von Paroxetin, Duloxetin, Desvenlafaxin und Venlafaxin mit einem Anstieg des Gesamtcholesterins verbunden – bei Duloxetin zudem mit erhöhten Blutzuckerwerten.
«The aim isn’t to deter use, but to empower patients and clinicians to make informed choices and to encourage personalised care.» Toby Pillinger, IoPPN.
Andrea Cipriani von der Universität Oxford betont die Bedeutung gemeinsamer Therapieentscheidungen: «Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig Shared Decision Making ist – also, dass Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten über die Behandlung entscheiden, unter Berücksichtigung ihrer Werte, Ziele und persönlichen Umstände.»
Ziel der Arbeit sei es nicht, von der Einnahme abzuraten, sondern Patientinnen, Patienten und Behandelnde besser zu informieren. «Es geht darum, personalisierte Behandlung zu ermöglichen», so Pillinger.