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Bakterielle Elektrizität: Wie die Membranspannung Antibiotikatoleranz beeinflusst

In räumlich strukturierten Gemeinschaften von Bakterien bilden sich elektrische Spannungsmuster aus, die mit Wachstum und Überleben zusammenhängen. Die elektrische Spannung über die bakterielle Zellhülle zeigt an, wann sich Bakterien nicht mehr nur als Einzeller sondern als Kollektiv verhalten.

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Bakterien sind zwar einzellige Organismen, jedoch bilden sie räumlich strukturierte Gemeinschaften aus, sogenannte Biofilme. In Biofilmen verhalten sich Bakterien als Kollektiv und können sich so besser gegen äusseren Stress wie Antibiotika schützen. Wie der Übergang vom Bakterium als Einzelgänger zu einer Gemeinschaft mit kollektivem Verhalten funktioniert, war bislang weitgehend unklar.

Die Wissenschaftler untersuchten, wie sich die elektrischen Eigenschaften der Bakterien während der Entstehung eines Biofilms entwickeln und entdeckten räumlich-zeitlich veränderliche Spannungs-Muster innerhalb der strukturierten Gemeinschaften. Diese korrelierten mit dem Entstehen von neuen Habitaten mit unterschiedlich starker Toleranz gegen Antibiotika.

Fluktuierende Spannung
Bakterien bauen über ihre äussere Membran eine elektrische Spannung auf. Diese elektrische Polarisation ist eine wichtige Energiequelle für die Atmung, die Aufnahme von Nährstoffen, aber auch für den Ausstoss von Zellgiften. Erst kürzlich wurde es möglich, die Dynamik der Membranspannung auf dem Niveau von einzelnen Bakterienzellen zu untersuchen. Dabei fand man heraus, dass die Spannung zeitlich stark fluktuiert, wobei die Fluktuation einzelner Bakterien voneinander unabhängig sind.
  • Wie verändert sich die Spannung, während sich ein Biofilm entwickelt und welche Umweltfaktoren beeinflussen die Spannung?
  • Wie hängt die Spannung mit dem Wachstumsverhalten und der Toleranz gegen Antibiotika zusammen?
Diesen Fragen sind nun Forscher der Universität zu Köln um Professorin Berenike Maier am Institut für Biologische Physik nachgegangen. Sie untersuchten frühe Stadien der Biofilmbildung von Neisseria gonorrhoeae, dem Erreger einer der häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten.

Übergang zu kollektivem Verhalten: zusammenhängende Polarisation
Gonokokken können innerhalb von wenigen Minuten kugelförmige Kolonien bilden, die aus tausenden von Bakterien bestehen. «Mittels spezieller Lichtmikroskopie in Kombination mit von uns entwickelten Bildanalyse-Werkzeugen können wir die Dynamik der Membranspannung von einzelnen Zellen in diesen Kolonien messen», erklärt Dr. Marc Hennes, Erstautor der Studie. «In frischen Kolonien verhält sich die Spannung benachbarter Bakterien völlig unkorreliert. Wenn die Kolonie eine kritische Grösse erreicht hat, beobachteten wir etwas völlig Unerwartetes: Die Zellen im Zentrum erhöhen plötzlich ihre Spannung; sie hyperpolarisieren.» Anschliessend wandert eine Schale von hyperpolarisierten Zellen durch die Kolonie. Im Inneren der Schale ist die Spannung erniedrigt. Dieses Auftreten räumlich-zeitlich zusammenhängender Polarisation interpretieren die Forscher als den Übergang zu kollektivem Verhalten, der die Ausbildung eines Biofilms anzeigt.

Bakterien im Zentrum toleranter gegen Antibiotika
Eine Kombination von Computersimulation und Laborexperimenten lieferte starke Hinweise darauf, dass diesem Polarisationsmuster eine Veränderung der Sauerstoffverhältnisse zugrunde liegt, die dadurch entsteht, dass im Inneren der Kolonie die Bakterien den Sauerstoff schneller verbrauchen, als er durch Diffusion nachgeliefert werden kann.
Eine wichtige Frage war nun, ob das Muster der Membranpolarisation auch mit der für Biofilme typischen funktionalen Heterogenität korreliert. Tatsächlich erniedrigten Bakterien ihre Wachstumsrate, nachdem sie die Hyperpolarisation durchlaufen hatten, während die Bakterien an der Oberfläche der Kolonie unverändert weiter wuchsen. Die Bakterien im Zentrum der Kolonie waren ausserdem toleranter gegen Antibiotika.

In Zukunft wird das Ziel sein, innerhalb eines neuen Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft die molekularen Ursachen des Polarisationsmusters sowie der Zusammenhang mit Antibiotikatoleranz besser zu verstehen.PS


Quelle: Universität Köln/Pressemtteilung, 19.01.2023

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