Brustkrebs-Früherkennungsprogramme in der Schweiz: Was bringen sie eigentlich?
Die kantonalen Brustkrebs-Screeningprogramme stehen unter Druck – ausgelöst durch Tarifkonflikte rund um TARDOC. Ein Monitoring-Bericht von 2024 belegt jedoch ihren Nutzen.
Sarah Bourdely21.7.20255"
Die Brustkrebs-Früherkennung steht in der Schweiz vor einer Zerreissprobe: Im Zuge der Einführung des neuen Tarifsystems TARDOC haben mehrere Krankenversicherer bestehende Verträge mit Radiologie-Instituten gekündigt oder nicht erneuert.
Die SGR-SSR spricht von «schädlichen Tarifsenkungen» und warnt vor einem Abbau funktionierender Programme, während der Krankenkassenverband Prio.Swiss seinerseits fordert, dass Radiologen «ihre medizinische Verantwortung wahrnehmen» und sich auf tiefere Tarife einlassen. Der Streit offenbart nicht nur finanzielle, sondern auch gesundheitspolitische Bruchlinien.
Was bringen die Programme eigentlich?
Angesichts der aktuellen Debatte ist es legitim, sich zu fragen, welchen Nutzen die Programme überhaupt bringen. Ein umfassender Monitoring-Bericht aus dem Jahr 2024 liefert dazu konkrete Daten.
In Auftrag gegeben wurde der Bericht vom Verband Swiss Cancer Screening, durchgeführt vom Universitätszentrum für Allgemeinmedizin und öffentliche Gesundheit (Unisanté) in Lausanne.
Die Auswertung basiert auf rund drei Millionen anonymisierten Datensätzen aus zehn Programmen in 14 Kantonen (VD, VS, GE, FR, BE-JU-NE, TG, SG-GR, BE-SO, BS, TI) und deckt den Zeitraum von 2019 bis 2021 ab. Im Fokus stehen Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren.
Gute Qualität, mit Einschränkungen
Zwischen 2019 und 2021 wurden in der Schweiz im Rahmen der zehn regionalen Brustkrebs-Screeningprogramme insgesamt 405’000 Mammographien durchgeführt. Das entspricht einem jährlichen Durchschnitt von etwa 135’000 Screeninguntersuchungen.
Jährlich wurden im Schnitt 239 Brustkrebsfälle bei Frauen entdeckt, die erstmals an einem organisierten Screening teilnahmen. Das entspricht einer Entdeckungsrate von 7,2 pro 1’000 Untersuchungen. Bei Frauen, die bereits an früheren Runden teilgenommen hatten (incident screening), lag die Rate bei 5,0 pro 1’000.
Das Programm zur Brustkrebsfrüherkennung in Zahlen. Quelle: Swiss Cancer Screening.
Rund 70–73 % der entdeckten Tumoren befanden sich im Frühstadium (Stadium 0 oder I). Die Programme erreichen somit ihr Ziel, Brustkrebs in einem heilbaren Stadium zu diagnostizieren.
Die Treffsicherheit der Mammographie lag bei 7,4 % bei Erstuntersuchungen (prevalent screens) und 16,2 % bei wiederholten Screenings (incident screens). Das heisst: Bei Erstscreenings war fast jede siebte Überweisung ein Fehlalarm, bei Folgerunden etwa jede sechste ein tatsächlicher Krebs.
In der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen wurde Brustkrebs bei 9,4 pro 1’000 Screenings entdeckt – mit dem höchsten positiven Vorhersagewert (PPV: 26,3 %) und der geringsten Rate falsch-positiver Resultate.
Schwächen und Herausforderungen
Die Beteiligung bleibt tief: Nur 47 % der eingeladenen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren nahmen 2019–2021 an einem Screening teil. In Kantonen ohne Programme ist die Teilnahme noch tiefer – dort erfolgt Früherkennung rein opportunistisch.
Die Qualität der Erstuntersuchungen variiert stark: Nur ein Programm (BE) erreichte die von der EU empfohlenen Überweisungsraten bei Erstscreenings. In anderen Kantonen lagen diese teils deutlich darüber – mit entsprechend vielen unnötigen Abklärungen.
Die Wiederteilnahme war mit 77 % leicht rückläufig und in einigen Regionen deutlich tiefer – besonders nach pandemiebedingten Unterbrüchen.