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CAR-T-Zell-Therapie gegen CD19 bei refraktärer autoimmuner Muskelschwäche

«Die Patientin konnte im wahrsten Sinne ihren elektrischen Rollstuhl gegen ein E-Bike tauschen» so beschrieb Prof. Dr. Ralf Gold, Bochum, auf dem diesjährigen Neurologie-Kongress in Berlin den Therapieerfolg mit einer CAR-T-Zell-Therapie bei einer Patientin mit einem seltenen autoimmunen Myasthenie-Syndrom.

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Die CAR-T-Zell-Therapie ist eine spezifische, zielgerichtete Immuntherapie, die gegen individuelle krankheitsauslösende Antigene eingesetzt werden kann. Bei der Krebsbehandlung gibt es bislang die meisten Erfahrungen, so konnten z. B. bestimmte therapieresistente Lymphome erfolgreich behandelt werden.

Bei einer CAR-T-Zell-Therapie kommt es im Verlaufe von Tagen und Wochen zu einer starken Aktivierung des Immunsystems, wodurch die Zellen, die das entsprechende Antigen tragen, abgetötet werden. Allerdings kann es unter der Therapie auch zu erheblichen systemischen Nebenwirkungen wie dem Zytokin-Freisetzungssyndrom, eine generalisierte, systemische Entzündungsreaktion, oder dem assoziierten Neurotoxizitätssyndrom mit schweren neurologischen Symptomen, kommen.

Anti-CD19-CAR-T-Zellen erstmals erfogreich bei therapierefraktärer autoimmuner Myasthenie
In der Zeitschrift «Lancet Neurology» wurde nun über den ersten Fall einer in der Universitätsklinik Magdeburg erfolgreich behandelten therapierefraktären autoimmunen Myasthenie mit humanen autologen Anti-CD19-CAR-T-Zellen berichtet. Eine junge Patientin aus Sachsen-Anhalt litt an einer Myasthenia gravis. Sie hatte während des jahrelangen Krankheitsverlaufs vielfältige Therapien erhalten, neben Acetylcholinesterase-Inhibitoren eine Thymektomie, Glukokortikoide, Mycophenolatmofetil, B-Lymphozyten-depletierende Antikörper und den Proteasom-Inhibitor Bortezomib – dennoch kam es zur klinischen Progression mit Gehunfähigkeit sowie Schwierigkeiten beim Schlucken und Atmen. Wegen myasthenischer Krisen musste die junge Frau zuletzt fünfmal auf der Intensivstation behandelt und maschinell beatmet werden.

Vor dem Hintergrund des erfolgreichen Einsatz von Anti-CD19-CAR-T-Zellen bei hämato-onkologischen und autoimmunen rheumatischen Erkrankungen entschied sich das Ärzteteam der Universitätsklinik Magdeburg – Prof. Aiden Haghikia, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik und Prof. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Klinik für Hämatologie und Onkologie der Universitätsklinik Magdeburg – nach ausführlichen Besprechungen mit der Patientin zu der neuartigen Therapie.

Anti-CD19-CAR-T-Konstrukt der zweiten Generation
Anders als beispielsweise der B-Zell-Antikörper Rituximab, richten sich Anti-CD19-CAR-T-Zellen gegen eine breite Palette CD19-positiver, Antikörper-produzierende Zellen und deren Vorstufen (Prä- und Pro-B-Zellen, Plasmazellen und Plasmablasten). Bei der Patientin kam ein nebenwirkungsärmeres Anti-CD19-CAR-T-Konstrukt der zweiten Generation zum Einsatz, das durch eine veränderte Molekülstruktur bei dem Erkennungsprozess im Immunsystem mit geringerer Zytokinfreisetzung und Toxizität verbunden ist, als es bisher der Fall war.

So erfolgte schliesslich die Infusion von 1 × 108 (ca. 30 ml) Anti-CD19-CAR-T-Zellen (Tag 0). Die Zellvermehrung erreichte ein Maximum am 16. Tag; Nebenwirkungen wurden mit in der Hämatoonkologie erprobten Mitteln beherrscht, so dass die Patientin insgesamt keine schweren unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit der CAR-T-Zell-Therapie hatte.
  • Bis Tag 62 sanken die pathogenen AChR-Antikörper um ca. 70 % (von 2434 nmol/ml auf 718 nmol/ml).
  • Die serologischen Befunde gingen mit einer deutlichen klinischen Besserung einher, selbstständiges Gehen wurde wieder möglich, die Vitalkapazität der Lunge verbesserte sich (von 0,9 auf 3,9 Liter).
  • Nach ca. drei Wochen konnte die Patientin mit einer geringen Erhaltungsdosis von Prednisolon entlassen werden, im Verlauf normalisierte sich sogar das Gangbild nahezu vollständig.
Wie die Autoren aktuell bestätigen, ist die Patienten nun seit sieben Monaten klinisch stabil und hat bisher keine weitere Immuntherapie benötigt. Auch Prof. Gold kann über positive Erfahrungen berichten: «Wir haben inzwischen drei weitere Kranke mit Anti-CD19-CAR-T-Zellen behandelt und überblicken die ersten vier Monate eines Therapieerfolgs. In der Literatur sind andere Fälle mit dieser Therapie beschrieben, die bereits seit über drei Jahren in Remission sind.»

«Der Erfolg der CD19-CAR-T-Zell-Therapie nach Versagen anderer immunmodulierenden Therapien lehrt uns Neues zur Pathogenese autoimmuner Myasthenien, denn er spricht dafür, dass an der Produktion der Autoantikörper insbesondere Plasmablasten und kurzlebige Plasmazellen beteiligt zu sein scheinen», kommentiert Erstautor Prof. Dr. Aiden Haghikia «Möglicherweise kann die Therapie künftig auch bei einem breiten Spektrum anderer schwerer neurologischer Krankheiten helfen.»PS

  • Zur Originalpublikation
Haghikia A, Hegelmaier T et al.: Anti-CD19 CAR T cells for refractory myasthenia gravis. Lancet Neurol. 2023 Dec;22(12):1104-1105.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Pressemitteilung vom 23.11.2023

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