In der Studie wurden insgesamt 134 stationär behandelte Patienten an 15 Zentren in ganz Deutschland aufgenommen. Alle gehörten vier zuvor definierten Risikogruppen an:
- 56 Patienten litten an einer Krebserkrankung,
- 16 waren z.B. nach einer Organtransplantation immunsupprimiert,
- 36 litten an Immunschwächen unterschiedlicher Ursache und
- 26 galten aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters als besonders gefährdet für einen schweren Verlauf.
Alle Teilnehmer wurden zu gleichen Teilen randomisiert einer Interventions- und eine Kontrollgruppe zugeteilt: Die Kontroll-Gruppe erhielt die jeweils angezeigte Standardtherapie, die Interventions-Gruppe zusätzlich das Blutplasma gesunder Spender, die eine COVID-Infektion überstanden hatten oder mindestens zweifach geimpft oder beides waren.
Krebspatienten profitieren von Plasma
Die gemeinsame Auswertung aller vier Risikogruppen ergab keinen Genesungsvorteil nach Plasmagabe.
In der Einzelbetrachtung jedoch profitierten die Teilnehmer mit Krebserkrankung erheblich:
- Ihr Zustand verbesserte sich im Mittel nach 13 Tagen im Vergleich zu 31 Tagen bei der ebenfalls krebskranken Kontrollgruppe.
- Es verstarben drei von 28 Patienten und damit zwei Drittel weniger als in der Kontrollgruppe (acht von 28 Patienten).
«Sowohl die Krebserkrankung selbst als auch die Chemotherapie schwächt das Immunsystem, so dass es nicht mehr ausreichend auf die Infektion reagiert. Auch COVID-19-Impfungen schlagen bei Krebspatienten schlecht an», erläutert Studienleiter Professor Dr. Carsten Müller-Tidow. «Betroffene sind daher besonders gefährdet für einen schweren COVID-19-Verlauf.» Die in die Studie aufgenommenen Patienten litten überwiegend an Krebserkrankungen des Knochenmarks, z.B. Leukämien, waren aktuell in Behandlung oder hatten in den vergangenen zwei Jahren eine Krebstherapie durchlaufen.
Unterschiede bei Zunahme neutralisierender Antikörpern
Eine mögliche Erklärung für die klinischen Unterschiede in den Risikogruppen brachte die Analyse der neutralisierenden Antikörper, mit deren Hilfe das Immunsystem Infektionen unter Kontrolle bringt:
- Bei den krebskranken Teilnehmenden in der Interventionsgruppe stieg nach der Infusion des Plasmas die Menge an neutralisierenden Antikörpern im Vergleich zur krebskranken Kontrollgruppe signifikant an.
- Anders verhielt es sich bei den drei anderen Risikogruppen: Dort stieg die Antikörpermenge in den Interventions- und Kontrollgruppen ähnlich stark an.
«Die Plasmatherapie kann für diese Risikogruppe der Patienten, die nicht ausreichend eigene neutralisierende Antikörper bilden, eine wichtige Therapieoption sein», sagt Erstautorin Privatdozentin Dr. Claudia Denkinger. «Insbesondere, da es wenig Alternativen gibt: Künstlich hergestellte Antikörper sind auf bekannte Varianten ausgerichtet und bei neu auftretenden oft weniger effektiv. Frisch gewonnenes Plasma geimpfter und genesener Personen verändert sich dagegen bei jeder Welle in «Echtzeit» mit dem Virus mit.» Wichtig sei allerdings ein früher Therapiebeginn.
Grosse internationale Folgestudie
Die Aussagekraft der Studie ist durch die geringe Anzahl der Patienten in der Risikogruppe eingeschränkt. Eine grosse internationale Folgestudie läuft daher bereits unter Federführung des Universitätsklinikums in Melbourne, Australien. «Wenn sich darin unsere Ergebnisse bestätigen, gehe ich davon aus, dass die Plasmatherapie für Krebspatienten in die Regelversorgung aufgenommen wird», sagt Prof. Müller-Tidow. «Besonders gefährdeten Patienten bieten wir diese Behandlung an unserer Klinik bereits jetzt im Rahmen individueller Heilversuche an und machen sehr gute Erfahrungen.»PS