Eine Hemianopsie – auch Halbseitenblindheit genannt – betrifft in der chronischen Phase fast ein Drittel der Schlaganfallpatienten. Der Verlust der Hälfte des Gesichtsfelds schränkt die Autonomie der betroffenen Personen stark ein – insbesondere beim Lesen oder beim Autofahren.
Aktuell verfügbare Behandlungen führen nur selten zu einer echten Wiederherstellung der visuellen Funktion. Sie dienen überwiegend dazu, den Patientinnen und Patienten beizubringen, mit den Einschränkungen zu leben.
Um das zu ändern, hat
ein Westschweizer Forschungsteam einen nicht-invasiven Ansatz getestet, der darauf abzielt, die Kommunikation zwischen zwei zentralen Bereichen des visuellen Netzwerks wiederherzustellen: dem primären visuellen Kortex und dem medio-temporalen Areal.
Die Studie wurde unter der Leitung von
Friedhelm Hummel vom Neuro-X-Institut der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) durchgeführt, in Zusammenarbeit mit Teams der Universität Genf, der Genfer Universitätskliniken (HUG), des Inselspitals Bern, des Spitals Wallis und der Universität Rochester.
Verbindung wiederherstellen
In einer randomisierten, doppelblinden Studie mit 16 Patientinnen und Patienten verglichen die Forschenden ein «Forward cf-tACS-Stimulationsschema», das den physiologischen Informationsfluss des visuellen Systems nachahmt, mit einer umgekehrten Kontrollbedingung.
- Die Personen, die die vorwärtsgerichtete cf-tACS-Stimulation erhielten, zeigten deutlich stärkere Verbesserungen in der Bewegungswahrnehmung als jene, die das invertierte Kontrollschema erhielten.
- Zudem erlebten sie eine messbare Erweiterung ihres Gesichtsfelds, insbesondere in den Bereichen, die während des Trainings gezielt stimuliert worden waren.
- EEG- und MRT-Daten zeigen eine teilweise Wiederherstellung der oszillatorischen Kopplung zwischen dem primären visuellen Kortex und dem medio-temporalen Areal sowie eine erhöhte Aktivierung dieser Regionen nach der Vorwärtsstimulation.
Die grössten Verbesserungen wurden bei Personen beobachtet, deren Verbindungen zwischen primärem visuellen Kortex und medio-temporalem Areal noch teilweise intakt waren – ein Hinweis darauf, dass selbst eine teilweise Erhaltung dieser Bahnen die visuelle Erholung unterstützen kann.
Laut Friedhelm Hummel ermöglicht dieser neue therapeutische Ansatz zudem die Identifizierung «von Faktoren, die mit der Therapieantwort zusammenhängen, potenziellen Biomarkern für die Stratifikation der Patientinnen und Patienten».
Die Studie bleibt explorativ und umfasst nur eine geringe Zahl Teilnehmender; die langfristige Beständigkeit der Effekte ist noch nicht bekannt. Dennoch liefert sie einen ersten Nachweis dafür, dass das gezielte Ansprechen der Oszillationen im visuellen Netzwerk die visuelle Erholung nach einem Schlaganfall verstärken und beschleunigen kann.