Die Nervenzellen im menschlichen Gehirn stehen in ständigem Austausch, der sich in schnellen elektrischen Schwingungen manifestiert. Um diese Prozesse bei der Rezeption von Kunst zu untersuchen, führte das internationale Forschungsteam eine Studie mittels Elektroenzephalographie (EEG) durch: Die Teilnehmer schauten sich verschiedene Bilder von Kunstwerken an und bewerteten, wie sehr diese sie ästhetisch ansprachen. Dabei wurden ihre Hirnwellen über eine EEG-Haube gemessen.
Betrachteten die Teilnehmern Kunstwerke, die ihnen gefielen, zeigte das Elektroenzephalogramm in einem bestimmten Bereich des Gehirns eine grössere Menge hochfrequenter Gamma-Wellen als bei der Betrachtung von Kunstwerken, die sie nicht ansprachen. Interessanterweise traten diese Gamma-Wellen jedoch nicht sofort auf, sondern erst nach etwa einer Sekunde. Diese Verzögerung deutet darauf hin, dass die Teilnehmer nicht einfach nur auf die visuellen Eigenschaften eines Kunstwerks reagierten. Vielmehr spiegeln die Hirnwellen einen Prozess der Bedeutungsbildung wider. Edward A. Vessel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIEA und Mitautor der Studie, erläutert:
«Wir nehmen Kunst offensichtlich nicht nur passiv wahr, sondern lassen uns auf einen Prozess der Entdeckung ein. Dabei probieren wir verschiedene Interpretationen und Bedeutungen aus. Dieser Prozess kann mehrere Sekunden andauern, während der sich der Betrachter auf die Kunst einlässt.»
Neben den Gamma-Wellen beobachteten die Wissenschaftler auch Alpha-Wellen. Diese waren sowohl bei hoch als auch bei niedrig bewerteten Kunstwerken stärker ausgeprägt als bei Werken mit mittlerer Bewertung. Dies deutet darauf hin, dass die Studienteilnehmer Kunst, die ihnen entweder besonders gut oder besonders schlecht gefiel, mit erhöhter Aufmerksamkeit betrachten.
Die Studie leistet einen Beitrag zu unserem Verständnis ästhetischer Erfahrungen insgesamt. Darüber hinaus geben die Ergebnisse einen wichtigen Impuls für die Frage, warum Menschen Freude daran haben, ihrer Umgebung einen Sinn zu verleihen.PS