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imagePause fürs Altern? Neue Studien setzen beim Zelltod an. Bild: Andrej Lišakov | Unsplash

Kontrollierte Nekrose als Therapieziel

Eine internationale Forschungsgruppe zeigt: Der Zelltod ist mehr als nur das Ende – er könnte der Schlüssel zur Behandlung altersbedingter Erkrankungen sein.

Sarah Bourdely2.6.20254"
Nekrose – der unkontrollierte Zelltod infolge von Verletzungen, Infektionen oder Krankheiten – galt bisher als biologisches Endstadium.
Eine Studie, veröffentlicht in «Oncogene», widerspricht diesem Bild.

Forschende des University College London (UCL), der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und des Biotech-Unternehmens LinkGevity sehen gerade diesen destruktiven Prozess als vielversprechendste Möglichkeit, den Verlauf von Alterung und Krankheiten zu verändern.
Programmierter Zelltod ist nützlich
Zellen – die Grundbausteine des Lebens – können auf verschiedene Arten sterben. «Programmierter» Zelltod ist ein regulierter und nützlicher Vorgang, der es dem Gewebe ermöglicht, sich zu erneuern und funktionsfähig zu bleiben.
«Nekrose war die ganze Zeit präsent – aber wurde übersehen. Sie ist weit mehr als ein Endpunkt. Sie ist ein zentraler Mechanismus systemischer Degeneration – und sie breitet sich aus. Wenn wir sie gezielt beeinflussen können, eröffnen sich völlig neue Behandlungsmöglichkeiten – von Nieren- über Herz- und Hirnerkrankungen bis hin zum Altern selbst.» Dr. Carina Kern, Hauptautorin der Studie und CEO von LinkGevity
Demgegenüber steht der «unprogrammierte» Zelltod, ein unkontrollierter Prozess, der Gewebe zerstört und biologischen Verfall einleitet. Die Nekrose führt zum Platzen der Zellen und zum Austritt toxischer Moleküle ins umliegende Gewebe. Das löst Entzündungen aus und stört die Regeneration, was zu Gebrechlichkeit und chronischen Erkrankungen führen kann.
Nekrose spielt Schlüsselrolle bei Nierenerkrankungen
Im Zentrum der Nekrose steht Kalzium – ein essentielles Element, das Zellfunktionen reguliert. Normalerweise herrscht ausserhalb der Zelle eine Kalziumkonzentration, die 10'000- bis 100'000-mal höher ist als innerhalb. Wird dieses Gleichgewicht gestört, strömt Kalzium in die Zelle ein und löst Chaos aus.
«Sauerstoffmangel, Entzündung, oxidativer Stress, Giftstoffe – all diese Faktoren führen letztlich zur Nekrose. Und diese setzt eine Spirale in Gang, die zu Nierenversagen führt. Wir können nicht alle Stressoren ausschalten, aber wenn wir die Nekrose stoppen könnten, käme das dem nahezu gleich.» Dr. Keith Siew, Mitautor der Studie vom UCL Centre for Kidney & Bladder Health
Besonders in der Niere zeigt sich die verheerende Wirkung der Nekrose, so die Forschenden. Sie spielt eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Nierenerkrankungen, die häufig in Dialyse oder Transplantation münden.
Raumfahrtmedizin: Nekrose als limitierender Faktor
Die Forschenden betonen: In der Schwerelosigkeit altern Astronautinnen und Astronauten schneller – unter anderem wegen beschleunigtem Zellverfall. Eine gezielte Unterbrechung der Nekrose könnte daher nicht nur auf der Erde, sondern auch für die Raumfahrt bahnbrechend sein.

ESA-Experte Prof. Damian Bailey sieht hierin einen strategischen Hebel zur Überwindung biologischer Grenzen im All:
«Die gezielte Beeinflussung von Nekrose könnte nicht nur die Lebenserwartung auf der Erde revolutionieren, sondern auch die Raumfahrt auf ein neues Niveau heben. Im All wirken dieselben Alterungsprozesse – nur schneller und intensiver.» Prof. Damian Bailey, Mitautor der Studie, Life Sciences Working Group ESA
An der Studie beteiligt waren Forschende folgender Institutionen:
UCL Division of Medicine, Harvard-affiliated Brigham and Women’s Hospital, Mayo Clinic, NASA Space-Health Program, MRC Laboratory of Molecular Biology, University of South Wales und die Europäische Weltraumorganisation ESA.

Die Autorinnen und Autoren plädieren dafür, Nekrose als zentrale Krankheitsursache und therapeutisches Ziel ernst zu nehmen.

Zur Originalpublikation:

  • Carina Kern, Joseph V. Bonventre, Alexander W. Justin, et al.: «Necrosis as a fundamental driver of loss of resilience and biological decline: what if we could intervene?», in: «Oncogene», Mai 2025.
  • doi: 10.1038/s41388-025-03431-y


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