Massage statt Spritze: Neue Ansätze für die Impfstoffgabe über die Haut
Eine einfache Hautmassage könnte in Zukunft genügen, um eine Immunantwort auszulösen – und damit eine Alternative zu klassischen Injektionen eröffnen. Darauf weist eine Studie von Inserm, Institut Curie und King’s College London hin.
Sarah Bourdely18.9.20253"
Die Haut gilt als Schutzarriere gegen Umweltfaktoren. Gleichzeitig reagiert sie sensibel auf mechanische Belastungen wie Dehnung oder Druck. Ein Team um die Immunologin Élodie Segura (Inserm/Institut Curie) und den Pharmakologen Stuart A. Jones (King’s College London) hat nun untersucht, wie Massagebewegungen die Hautdurchlässigkeit und Immunität beeinflussen.
Bei Versuchen mit Mäusen und in Teilen auch mit menschlicher Haut zeigte sich: Ein 20-minütiger Massageimpuls machte die Haut vorübergehend durchlässiger für Makromoleküle.
Proof of concept mit Grippeimpfstoff
Die Forschenden nutzten diesen Effekt, um einen Grippeimpfstoff (H1N1) nicht per Injektion, sondern durch Massage in die Haut von Mäusen einzubringen. Die Tiere entwickelten eine vergleichbare Immunantwort wie nach intramuskulärer Injektion.
Struktur der Haut einer Maus nach Dehnung, histologische Färbung. Massstab: 100 Mikrometer. Bild: Darawan Tabtim-On und Renaud Leclère | Institut Curie.
Ursache war eine kurzzeitige Öffnung der Haarfollikel, die zudem eine lokale Entzündungsreaktion auslöste. Dadurch wurde die «adaptive Immunität» aktiviert – jener Mechanismus, der auch Impfungen zugrunde liegt. «Der mechanische Stress könnte vom Immunsystem als Gefahrensignal interpretiert werden», erklärt Segura in einer Pressemitteilung.
Bald eine nadelfreie Alternative?
Noch ist unklar, wie stark die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Unterschiede in der Hautstruktur sowie die spezifische Rolle einzelner Zelltypen und Mikrobiom-Komponenten müssen weiter erforscht werden. Auch die Möglichkeit, dass Massage oder Reibung das Eindringen toxischer Substanzen oder Allergene begünstigt, ist von toxikologischer Relevanz.
Sollten die Ergebnisse bestätigt werden, könnte die Technik eine nadelfreie, nichtinvasive Impfstoffgabe ermöglichen – mit Vorteilen bei Akzeptanz, Durchführbarkeit und möglicherweise auch bei globalen Impfkampagnen. Für die klinische Praxis wären standardisierte Verfahren nötig, um Reproduzierbarkeit und Sicherheit zu gewährleisten, so die Forschenden.