Erstmals gibt es in Deutschland eine evidenzbasierte
S3-Leitlinie zur Behandlung von Schilddrüsenkrebs. Sie bündelt den aktuellen Wissensstand und formuliert konkrete Empfehlungen – von der Diagnostik über die Operation bis zur Langzeitnachsorge.
Entwickelt wurde sie unter der Leitung der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV), der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) gemeinsam mit 21 weiteren Fachgesellschaften.
Seltene Erkrankung – hohe Überlebensrate
Schilddrüsenkarzinome gehören zu den seltenen Krebsformen. Die Prognose ist insgesamt gut – besonders bei früher Diagnose: die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei Frauen bei 94 Prozent, bei Männern bei 88 Prozent, so die Deutsche Krebsgesellschaft in einer
Pressemitteilung.
Entscheidend für die Prognose ist jedoch, um welchen Karzinomtyp es sich handelt und in welchem Stadium der Tumor erkannt wird. Die neue Leitlinie unterscheidet klar zwischen den einzelnen Karzinomvarianten – papillär, follikulär, onkozytär, medullär und anaplastisch – und bietet für jede eigene Therapieempfehlungen. Das häufigste ist das papilläre Karzinom mit rund 65 Prozent aller Fälle.
Medulläre und anaplastische Karzinome
Für besonders seltene und klinisch herausfordernde Varianten – das medulläre und das anaplastische Karzinom – gibt es spezifische Kapitel.
Das medulläre Karzinom, das aus C-Zellen entsteht, ist nicht radioiodsensitiv und kann nur chirurgisch behandelt werden. Es hat dennoch vergleichsweise gute Prognosen.
Anders das anaplastische Schilddrüsenkarzinom: Es gilt als eine der aggressivsten Krebsformen überhaupt. Häufig fällt es durch rasch wachsende, schmerzlose Knoten am Hals, die häufig Schluckbeschwerden oder Heiserkeit auslösen. auf. Die Leitlinie fordert hier ein sofortiges, koordiniertes Vorgehen – vom Verdacht bis zur Therapieentscheidung.
Zentrale Rolle der Chirurgie
Im Zentrum der Behandlung steht nach wie vor die Operation. Häufig wird die Schilddrüse vollständig entfernt. Die neue S3-Leitlinie gibt jedoch auch Empfehlungen für Fälle, bei denen das nicht notwendig ist.
«Der positive Zusammenhang zwischen der Anzahl an durchgeführten Operationen und der Ergebnisqualität ist belegt.» Prof. Andreas Bockisch, Koordinator der Leitliniengruppe.
Besonderen Wert legen die Autorinnen und Autoren auf die chirurgische Erfahrung. Die Datenlage sei eindeutig: Je höher die Fallzahl der Operateurinnen und Operateuren, desto besser das Ergebnis. Besonders bei der Behandlung von Schilddrüsenkrebs im Kindes- und Jugendalter empfiehlt die Leitlinie die Behandlung in spezialisierten Zentren. Die Erfahrung habe gezeigt, dass so die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Tumorresektion höher und die Komplikationsrate niedriger ist.
Langzeitnachsorge: mindestens zehn Jahre
Auch zur Nachsorge liefert die Leitlinie erstmals klare Vorgaben. Sie soll über mindestens zehn Jahre erfolgen, da Rückfälle auch spät auftreten können. In den ersten fünf Jahren wird ein halbjährliches Kontrollintervall empfohlen, danach jährlich. Eine der zentralen Untersuchungsmethoden in der Nachsorge ist die Halssonographie als risikofreie Methode.
Für Patientinnen und Patienten mit Tumorpersistenz, Rückfällen oder Metastasen gibt die Leitlinie Hinweise zum weiteren Vorgehen – inklusive systemischer Therapien.