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imageBild: Insel Spital (© metamorworks/Shutterstock)

Neue Auto-Software zur Warnung vor Unterzuckerung bewährt sich

Fallen Menschen mit Diabetes während der Autofahrt in eine Unterzuckerung, kann dies gefährlich werden. Eine aktuelle Studie unter der Leitung des Inselspitals, Universitätsspital Bern, und der Universität Bern zeigt nun, dass eine neue, auf maschinellem Lernen basierende Software vor Unterzuckerung am Steuer warnen kann.

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Trotz bedeutender Fortschritte in der Medizin bleibt die Hypoglykämie eine grosse Herausforderung für Menschen mit Diabetes mellitus. Ist der Blutzuckerspiegel zu tief, verlangsamt sich die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit. Auch Schwindel, Sehstörungen und Ohnmacht können dazu kommen. Dies ist besonders kritisch im Strassenverkehr, wo schnelle und komplexe Entscheidungen erforderlich sind. Da Autofahrer stark auf den Verkehr konzentriert sind, ist die Gefahr gross, dass sie Anzeichen einer Unterzuckerung übersehen.

Messungen vor und während Autofahrt oft nicht ausreichend
Menschen mit Diabetes wird zwar geraten, vor jeder Autofahrt ihren Blutzucker zu überprüfen. Jedoch reicht diese einzelne Messung nicht aus, um vorherzusagen, ob während des Autofahrens plötzliche Unterzuckerungen auftreten. In dieser Hinsicht sind kontinuierliche Glukosemesssysteme, kurz CGM-Systeme, effektiver. Diese messen den Glukosegehalt im Unterhautfettgewebe etwa alle fünf Minuten. Allerdings hinken die im Unterhautfettgewebe gemessenen Werte den aktuellen Blutzuckerwerten bis zu zwanzig Minuten hinten nach. Das führt dazu, dass CGM-Systeme bei schnell abfallendem Blutzucker die Glukosewerte erheblich überschätzen können. Diese Fehleinschätzung kann beim Autofahren potentiell zu Unfällen beitragen.

Unterzuckerung erkennen anhand von Fahr- und Blickdaten Aus diesem Grund haben Forscher des Inselspitals, der ETH Zürich und der Universität St. Gallen eine neue Software entwickelt, die Unterzuckerungen anhand von während einer Autofahrt automatisch erfassten Fahr- und Blickdaten, diagnostizieren kann. Die Forscher nutzen hierfür ausschliesslich Daten von bereits im Auto vorhandenen Sensoren und Kameras, wie zum Beispiel Lenkbewegungen, Bremsverhalten oder Kopfhaltung. Im Gegensatz zu den üblichen Blutzuckermesssystemen ist diese Methode nicht invasiv.

Pilotstudie mit Fahrsimulator...
In einer kürzlich durchgeführten Pilotstudie mit einem Fahrsimulator konnte das Forscherteam den Nachweis liefern, dass ihre Methode funktioniert. Allerdings ist die Übertragbarkeit der anhand von Simulatoren gewonnenen Erkenntnisse auf die Realität begrenzt, wie Dr. med. Dr. sc. nat. Vera Lehmann, Studienärztin an der Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin und Metabolismus (UDEM) des Inselspitals erklärt: «Simulatoren können die von einer Person beim Autofahren wahrgenommene Umgebung und mögliche Gefahren nicht vollständig nachbilden. Auch das Wetter oder die Strassenqualität, die einen erheblichen Einfluss auf das Fahrverhalten haben, lassen sich im Simulator nur schlecht reproduzieren».

... und Härtetest unter realen Bedingungen In einer soeben veröffentlichten Studie gingen die Forscher darum einen Schritt weiter: Sie testeten ihre Software unter realen Bedingungen. An der Studie nahmen 30 erwachsene Personen mit Typ-1-Diabetes mellitus teil, die mehrmals eine festgelegte und abgesperrte Teststrecke befuhren. Über einen Venenkatheter im Unterarm erhielten sie Insulin, um während des Fahrens entweder in eine leichte Unterzuckerung (3,0–3,5mmol/L) oder in eine starke Unterzuckerung (2,0–2,5mmol/L) versetzt zu werden. Aus Sicherheitsgründen wurden sie von einem Fahrlehrer begleitet, der bei Gefahr jederzeit eingreifen konnte.

Die Studienteilnehmer waren mit CGM-Systemen ausgestattet, die ihre Blutzuckerwerte kontinuierlich aufzeichneten. Darüber hinaus wurden diese auch regelmässig intravenös gemessen. Fahr- und Blickdaten werden durch einen Computer im Kofferraum aufgezeichnet. Insgesamt wurden rund 48 000 Messpunkte gesammelt. Die Teilnehmer waren sich bewusst, dass Unterzuckerungen ausgelöst wurden, kannten jedoch während der ganzen Fahrt ihren tatsächlichen Blutzuckerwert nicht.

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Projektmitarbeiter auf der Rückbank des Autos kontrollierten die Blutzuckerwerte und versetzten die Autofahrer während des Fahrens über einen Venenkatheder in leichte oder schwere Unterzuckerungen.

Fahr- und Blickdaten geben Unterzuckerung preis Mit den gesammelten Daten trainierten die Forscher ihre Software darauf, Veränderungen im Fahr- und Blickverhalten der Studienteilnehmer zu erkennen, die auf eine Unterzuckerung hinweisen könnten. Das Ergebnis war für das Team mehr als zufriedenstellend:
  • Wurden sowohl die Fahr- wie auch die Blickdaten in die Software eingespiesen, konnte diese eine Unterzuckerung mit einer 80-prozentiger Sicherheit erkennen.
  • Bei ausschliesslicher Verwendung von entweder Fahr- oder Blickdaten, lag die Wahrscheinlichkeit bei rund 70 Prozent.
Damit bietet die Software ein einfaches, effizientes und nicht-invasives Warnsystem, das bedeutend zur Verkehrssicherheit beitragen kann, indem sie Autofahrer bei Unterzuckerung durch eine Sprachnachricht oder ein akustisches Signal warnt.

Gefahr wird oft unterschätzt Dass es ein solches Warnsystem braucht, wurde in der Studie ebenfalls deutlich. Der Studienleiter Prof. Dr. med. Christoph Stettler, Chefarzt an der Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin & Metabolismus des Inselspitals erklärt: «Wie bereits in anderen Untersuchungen gezeigt wurde, unterschätzten die Studienteilnehmer das Ausmass ihrer Unterzuckerung erheblich. Rund 40 Prozent davon wären trotz Unterzuckerung ohne etwas dagegen zu unternehmen weitergefahren.»

Laut Stettler könnte die Software auch dazu dienen, andere gesundheitliche Einschränkungen, die das Fahrverhalten beeinflussen, zu erkennen, beispielsweise Alkoholkonsum. Dafür wären aber noch zusätzliche Untersuchungen nötig.PS


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