Neurotechnologien wie Gehirn-Computer-Schnittstellen (
Brain-Computer-Interface), Bioelektronik oder tragbare EEG-Geräte könnten Millionen Patientinnen und Patienten helfen – etwa bei Lähmungen, Depressionen oder Parkinson. Gleichzeitig bergen sie laut einer
Mitteilung der ETH Lausanne (EPFL)
erhebliche ethische und rechtliche Risiken, insbesondere für die mentale Privatsphäre.
Vom Therapie- zum Konsumprodukt
Während invasive Implantate bislang fast ausschliesslich medizinisch genutzt werden, integrieren Unternehmen zunehmend nicht-invasive Mini-EEGs in Kopfhörer, Fitnessarmbänder oder Gaming-Headsets. Diese Technik ermöglicht es, kognitive Zustände und Vorlieben «direkt am neurobiologischen Ursprung» zu erfassen, sagt Neuroethiker Marcello Ienca von der Technischen Universität München.
«We live in a world where our brain is our most important asset – it underpins the data-driven business models of social media operators and online retailers», Marcello Ienca, Hybrid Minds Project, EPFL.
Der ehemalige Leiter des EPFL-Projekts
Hybrid Minds sieht den Schutz neuraler Daten als fundamentales Menschenrecht. Denn: sie offenbaren unsere Gedanken, Emotionen und Absichten. Gelangen sie in die falschen Hände, könnten sie zur Manipulation genutzt werden: «Diese Unternehmen möchten alles über unsere psychologischen Präferenzen wissen, um unsere Kaufentscheidungen zu beeinflussen, unsere Schwächen auszunutzen und uns an sich zu binden».
Laut Ienca könnte die Unterhaltungsindustrie – etwa durch «Neurogames», bei denen Avatare mit Gedanken gesteuert werden – als «Trojanisches Pferd» dienen, um Neurotechnologie massenhaft zu verbreiten.
Regeln gegen Monopole und Missbrauch
Um Missbrauch zu verhindern, schlägt Ienca internationale Standards und sogenannte
Neurorights vor – ein Schutzgedanke, der in bestehenden Menschenrechtsdokumenten bislang fehlt. Neben Initiativen des Europarats und der UNESCO gibt es erste nationale Gesetze, etwa in Colorado und Kalifornien, die neuronale Daten ähnlich wie DNA oder biometrische Daten schützen.
Europa könne hier eine Führungsrolle übernehmen, so Ienca: «Wir müssen das richtige Gleichgewicht finden – zwischen fehlender Regulierung, wie es Menschen wie Musk befürworten, und so strengen Regeln, dass Innovation erstickt.»