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imageSymbolbild: Unsplash.

Covid-19: Warum neue Varianten das Immunsystem umgehen

Ein New Yorker Forschungsteam hat über 1’100 Antikörperstrukturen gegen SARS-CoV-2 analysiert. Ihre Studie zeigt, warum fast alle Varianten die Antikörperbindung unterlaufen und welche Strategien künftig nötig sind, um bessere Impfstoffe zu entwickeln. Ein neues Webtool soll hierbei helfen.

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Ein Team der Icahn School of Medicine at Mount Sinai (New York) hat mehr als tausend dreidimensionale Antikörperstrukturen ausgewertet, die an das Spikeprotein des Coronavirus binden.

Die in «Cell Systems» veröffentlichte Analyse sei «die grösste strukturbiologische Untersuchung, die es je für einen einzelnen Erreger gab. «Weltweit wurden tausende Strukturen von Antikörpern und Virusproteinen entschlüsselt, aber bisher hatte niemand sie gemeinsam betrachtet», sagt Seniorautor Yi Shi in einer Mitteilung.

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Bild: Feng et al. (2025).

Die Studie zeigt, dass menschliche Immunglobuline und sogenannte Nanobodies aus Kamelen oder Lamas 99 Prozent der Oberfläche der Rezeptorbindungsdomäne (RBD) abdecken – also jener Spike-Region, die für das Andocken an menschliche Zellen entscheidend ist.
Warum das Virus dennoch entkommt
Trotz dieser breiten Abdeckung macht das Team eine ernüchternde Beobachtung: Die Antikörper binden auf eine hochgradig konvergente Weise, das heisst, sie nutzen erstaunlich ähnliche strukturelle Angriffspunkte, obwohl ihre Sequenzen sehr unterschiedlich sein können.
«Our findings highlight the limits of the antibodies we currently rely on. While these antibodies have been remarkably effective, the virus keeps finding ways to escape them», Yi Shi, Ichan School of Medicine.
Genau diese strukturelle Ähnlichkeit erlaubt es dem Virus, mit einer begrenzten Zahl von Mutationen nahezu alle Antikörper zu schwächen. Mehr als ein Drittel der Zielstrukturen der Antikörper weist demnach bereits Veränderungen auf. Dies führt zu einem nahezu vollständigen Immun-Escape bei fortgeschrittenen Varianten.

Die Analyse zeigt zudem, dass selbst überlebende Nanobodies – also besonders kleine, stabile Antikörperfragmente – zwar an hochkonservierte Regionen binden, in ihrer neutralisierenden Wirkung jedoch eingeschränkt sind. Dennoch könnten sie wertvolle Ausgangspunkte für neue antivirale Wirkstoffe darstellen, da sie schwer zugängliche und weniger veränderliche Bereiche des Virus erreichen.
Konsequenzen für Impfstoffentwicklung
Für die klinische Praxis bedeuten die Ergebnisse nicht, dass Impfungen oder die natürliche Immunität unwirksam sind. Vielmehr wird deutlich, warum monoklonale Antikörpertherapien in den letzten Jahren sukzessive an Effektivität verloren haben.

Was braucht es also für künftige Therapien? «Wir müssen Antikörper entwickeln, die gleichzeitig mehrere Regionen des Virus erkennen. Dann wird es für SARS-CoV-2 deutlich schwerer, zu entkommen», sagt Erstautor Frank (Zirui) Feng.

Das Team hat zudem ein interaktives Webtool veröffentlicht, das alle Antikörperstrukturen zugänglich macht und die künftige Entwicklung antiviraler Strategien beschleunigen soll. Zugriff erhalten Forschende mit dem Usernamen «structureviewer» und dem Passwort «RBD».

Zur Originalpublikation:
  • Zirui Feng, Zhe Sang, Yufei Xiang et al.: «One thousand SARS-CoV-2 antibody structures reveal convergent binding and near-universal immune escape», in: «Cell Systems», November 2025.
  • DOI: 10.1016/j.cels.2025.101452

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