Frage: Was tut man, wenn man befürchtet, eine schwere Krankheit zu haben?
Antwort: Man vermeidet es, zum Arzt zu gehen.
Dies ist offenbar ein sehr verbreitetes Muster. Eine neue Metastudie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zeigt, dass rund 30 Prozent der Menschen Informationen zu schweren Krankheiten aus dem Weg gehen, wenn sie fürchten, betroffen zu sein.
Die Forschenden nahmen für ihre Meta-Untersuchung Daten aus 92 Studien mit 564’500 Teilnehmern aus 25 Ländern (dabei u.a. Deutschland, Frankreich, Spanien, Grossbritannien, aber nicht Schweiz).
Der Fokus lag auf fünf Krankheiten: Krebs, HIV, Chorea Huntington, Diabetes und Alzheimer. Und untersucht wurde, wie oft sich Vermeidungs-Verhalten manifestierte – definiert als «jede Form von Verhalten, die darauf abzielt, die Beschaffung verfügbarer, aber potenziell unerwünschter Informationen zu verhindern oder zu verzögern».
Am ehesten bei Diabetes
Also: Arztbesuche hinauszögern oder vermeiden, Tests nicht durchführen, Ergebnisse oder Aufklärungsmaterialien ignorieren.
Im internationalen Schnitt zeigten sich Vermeidungsraten um knapp 30 Prozent, wobei die Werte bei den unheilbaren neurodegenerativen Erkrankungen Huntington’s und Alzheimer höher waren (rund 40 Prozent), bei Krebs und HIV im mittleren Bereich lagen und bei Diabetes am tiefsten ausfielen.
Dies erscheint angesichts der Behandelbarkeit auch plausibel.
Das Max-Planck-Team ermittelte insgesamt 16 wichtige Faktoren, die ein Vermeidungsverhalten begünstigen. Bedeutsam waren:
- kognitive Überforderung;
- ein gering ausgeprägtes Gefühl der Selbstwirksamkeit;
- die Furcht vor Stigmatisierung;
- mangelndes Vertrauen in das medizinische System und damit eine geringere Hoffnung, gut behandelt zu werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Vermeidung medizinischer Informationen keineswegs ein ungewöhnliches menschliches Verhalten und auch nicht zwingend irrational ist. «Eine Möglichkeit ist, dass Menschen sich ganz bewusst zu gewolltem Nichtwissen entscheiden», erklärt Ralph Hertwig, Direktor des Forschungsbereichs Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin: «Das ist ein Phänomen, das wir bereits aus anderen Lebenskontexten kennen und das ganz vielfältige Gründe haben kann.»