Nach mehr als zwei Jahrzehnten Beobachtung liefert die
European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) ihr finales Ergebnis: Ein Screening auf Basis des prostataspezifischen Antigentests (PSA-Screening) kann die Sterblichkeit an Prostatakrebs langfristig senken – bei zugleich günstigerem Verhältnis von Nutzen und Schaden als bislang angenommen.
13 Prozent weniger Todesfälle
Insgesamt wurden 162’236 Männer aus acht europäischen Ländern im Alter von 55 bis 69 Jahren in die ERSPC eingeschlossen. Nach einem medianen Follow-up von 23 Jahren lag die Prostatakrebs-Sterblichkeit in der Screeninggruppe um 13 Prozent tiefer als in der Kontrollgruppe.
Die absolute Risikoreduktion betrug 0,22 Prozent, was bedeutet: Ein Todesfall durch Prostatakrebs wurde für jeweils 456 Männer verhindert, die zum Screening eingeladen wurden (95 % KI 306–943). Zum Vergleich: Nach 16 Jahren Follow-up war es noch einer pro 628 Männer.
«Langzeitdaten bestätigen eine anhaltende Reduktion der Prostatakarzinom-Sterblichkeit durch PSA-Tests, begleitet von einem verbesserten Nutzen-Schaden-Verhältnis», so das Fazit der Autorinnen und Autoren um Monique J. Roobol von der Erasmus Universität Rotterdam.
Überdiagnosen bleiben eine Herausforderung
Gleichzeitig zeigt die Studie weiterhin ein erhöhtes Risiko für Überdiagnosen: Die kumulative Inzidenz von Prostatakrebs war in der Screeninggruppe um 30 Prozent höher als ohne Screening (RR 1,30; 95 %-KI 1,26–1,33). Besonders häufig wurden niedrig-riskante Tumoren entdeckt (RR 2,14), während die Zahl fortgeschrittener Erkrankungen sank (RR 0,66).
Mit anderen Worten: Das Screening verhindert Todesfälle, es werden dadurch aber auch mehr klinisch irrelevanter Karzinome entdeckt. «Die mit PSA-basierten Vorsorgeuntersuchungen verbundenen Schäden, darunter unnötige Tests, Biopsien, Überdiagnosen und anschliessende Überbehandlungen, bleiben ein kritischer Punkt», so die Forschenden.
Die Daten zeigen zudem, dass ein längeres Follow-up entscheidend ist: Die Sterblichkeitskurven der beiden Gruppen begannen sich erst nach rund zehn Jahren zu unterscheiden. Für die Forschenden ist das ein Hinweis, dass der Nutzen des Screenings vor allem bei Männern mit längerer Lebenserwartung relevant ist.
Editorial: «Es kommt auf das Wie an»
Im
begleitenden Editorial betont Andrew Vickers vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, dass die Kontroverse um das PSA-Screening nicht länger um die Frage gehen sollte,
ob PSA-Screening Vorteile biete, sondern darum,
wie diese Screenings durchgeführt werden.
«Es kann kaum Zweifel daran bestehen, dass PSA-Screening die Sterblichkeit an Prostatakrebs senkt», schreibt Vickers. Der beobachtete Effekt von 13 Prozent liege im Bereich anderer etablierter Krebs-Screenings – etwa Mammographie oder Koloskopie.
«Whether PSA screening does more good than harm depends on how it is performed.» Andrew Vickers, NEJM Editorial.
Gleichzeitig seien die im ERSPC untersuchten Screening-Protokolle veraltet: Beginn des Screenings erst mit 55 Jahren, Stopp mit 70 – und nahezu jeder Mann mit erhöhtem PSA erhielt eine Biopsie und Behandlung.
Die in der ERSPC untersuchten Verfahren «überschätzen die Schäden» und «unterschätzen den Nutzen», so Vickers. Er betont, dass moderne Leitlinien ein differenziertes Vorgehen empfehlen: PSA-Screening ab 50 Jahren (oder früher bei Risikogruppen), ergänzende Tests (MRT oder molekulare Marker) vor Biopsie sowie aktive Überwachung bei Niedrigrisiko-Tumoren.
Das PSA-Screening bleibt laut Expertinnen und Experten also ein zweischneidiges Schwert. Die neuen Langzeitdaten zeigen, dass es Leben retten kann – aber nur, wenn es gezielt eingesetzt wird – personalisiert, risikobasiert und medizinisch begleitet.
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