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PSA-Tests im Jahrestakt – BMJ warnt vor «Screening durch die Hintertür»

In England lassen sich immer mehr Männer auf das Prostata-Antigen testen – oft jährlich, häufig ohne Symptome und meist ohne erkennbaren Nutzen. Das zeigt eine grosse Studie im BMJ. Hat sich die Testpraxis von der wissenschaftlichen Evidenz entfernt?

Sarah Bourdely15.10.20255"
Zwischen 2000 und 2018 hat sich die Zahl der Prostata-spezifischen Antigentest in England verfünffacht. Das zeigt eine Auswertung von Daten aus mehr als 10 Millionen Patientenakten, die im «British Medical Journal» (BMJ) veröffentlich wurde.

Der PSA-Test misst ein Eiweiss, das von der Prostata gebildet wird – hohe Werte können auf Krebs hindeuten, aber auch harmlose Ursachen haben. Laut der Studie liessen 1,5 Millionen Männer mindestens einmal ihren PSA-Wert bestimmen, insgesamt wurden 3,8 Millionen Tests durchgeführt. Fast die Hälfte der Männer wurde mehrfach getestet – meist im Jahresabstand. Bei rund 73 Prozent der getesteten Männer blieb der Wert dabei immer im Normalbereich.

Besonders häufig testen liessen sich Männer über 70 Jahre, obwohl sie laut Leitlinien am wenigsten davon profitieren. «PSA-Tests bei älteren Männern oder bei unspezifischen Symptomen führen häufig zu Überdiagnosen und unnötigen Eingriffen», schreiben die Forschenden.
«Screening durch die Hintertür»
Im begleitenden Editorial im BMJ kritisieren der Hausarzt Juan Franco, der Internist Timothy Wilt und der Urologe Philipp Dahm, dass die PSA-Testpraxis kaum noch den Leitlinien entspricht. Wörtlich heisst es: «PSA testing in men with lower urinary tract symptoms [...] is screening by the ‘back door’, but with poorer diagnostic yield.»

Auf Deutsch: Wer Männern mit Blasen- oder Erektionsbeschwerden routinemässig einen PSA-Test anbietet, betreibt im Grunde Screening – aber mit schlechterem Ergebnis.

Das Problem: Falsch-positive Befunde führen zu einer Kette von Folgeuntersuchungen – etwa Magnetresonanztomografien oder Biopsien – mit körperlichen und seelischen Belastungen, aber ohne klaren Gewinn.

«PSA testing in primary care does not closely follow randomised trial evidence or guidelines and likely results in net harm», schreiben die Autoren weiter. Die aktuelle Praxis schade also unter dem Strich mehr, als sie nütze.
Warum so viele Tests?
Die Forschenden sehen mehrere Gründe:
  • Mediale Einflüsse: Prominente, die offen über ihre Krebsdiagnose sprechen, lösen regelmässig Testwellen aus.
  • Unklare Leitlinien: Manche Ärztinnen und Ärzte verstehen PSA als Vorsorge, andere nur als Diagnosetool bei Symptomen.
  • Patientenwunsch: Viele Männer fordern den Test aktiv ein
Die Folge sei ein unkoordiniertes Nebeneinander von Über- und Unterversorgung, heisst es im Editorial.
Was das für Patienten bedeutet
Laut den BMJ-Autorinnen und Autoren ist ein Umdenken nötig. Künftig solle gemeinsam mit dem Patienten entschieden werden, ob ein PSA-Test sinnvoll ist. Dabei gehe es um eine ehrliche Abwägung zwischen möglichen Vorteilen (frühere Krebsdiagnose) und Nachteilen (Fehlalarme, unnötige Therapien).

Besonders bei älteren Männern über 70 Jahre und bei jüngeren unter 40 sei Zurückhaltung geboten: In beiden Gruppen überwiege der mögliche Schaden. Auch die Abstände zwischen Wiederholtests sollten deutlich länger sein als ein Jahr – je nach Risiko zwei bis zehn Jahre.

Für Ärztinnen und Ärzte bleibt entscheidend: gezielt testen statt routinemässig, offen informieren statt verunsichern, und bei unauffälligen PSA-Werten nicht jedes Jahr nachtesten.

Zur Originalpublikation:

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