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Tularämie – zu wenig bekannt und massiv unterschätzt

Die Diagnose der Tularämie, auch Hasenpest genannt, stellt Ärzte vor Herausforderungen. Wie die Krankheit übertragen wird und warum sich die Fälle häufen

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Die Krankheit Tularämie, auch als Hasenpest bekannt, wird durch den Erreger Francisella tularensis hervorgerufen. Dieser hochansteckende, gramnegative und sporenlose Erreger kann eine Vielzahl von Tieren infizieren und wird als potenzieller Biowaffenerreger eingestuft.

Übertragungswege und Krankheitsbilder
Menschen können sich auf verschiedene Arten infizieren, zum Beispiel durch den Biss von Zecken, Mücken oder Fliegen, den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln oder Wasser, den Kontakt mit infizierten Tieren oder durch das Einatmen von kontaminiertem Staub. Das Krankheitsbild variiert je nach Übertragungsweg: Hautkontakt kann zu Geschwüren führen, während eingeatmete Erreger eine Bronchopneumonie auslösen können.
Die Diagnose von Tularämie ist komplex und die Krankheit kann ohne Behandlung eine hohe Sterblichkeitsrate aufweisen, besonders bei aggressiveren Subtypen. In Europa tritt häufiger der Subtyp F. tularensis holarctica auf, bei dem es oft zu Spontanheilungen kommt.

Symptome und klinische Befunde
Ärzte sollten an Tularämie denken, wenn Patienten folgende Symptome zeigen, insbesondere nach einem möglichen Kontakt mit potenziellen Übertragungsquellen:
  • Plötzlicher Beginn von Fieber, begleitet von Schüttelfrost und allgemeinem Krankheitsgefühl.
  • Geschwollene und schmerzhafte Lymphknoten, insbesondere wenn sie ulzerieren.
  • Hautläsionen oder -geschwüre, besonders nach Kontakt mit Tieren oder Insektenstichen.
  • Atemwegsbeschwerden wie Husten, Thoraxschmerzen und Atemnot, die auf eine Lungenbeteiligung (Bronchopneumonie) hindeuten könnten.
  • Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall bei gastrointestinaler Beteiligung.
Aufgrund dieser unspezifischen und vielseitigen Symptome ist es wichtig, eine ausführliche Anamnese, insbesondere im Hinblick auf potenziellen Kontakt mit Wildtieren, Zeckenbissen oder ungewohnte Aufenthaltsorte, durchzuführen.
Differentialdiagnostisch kommt eine Reihe von Krankheiten in Betracht. Dazu gehören u. a. Brucellose, Influenza, Katzenkratzkrankheit, Legionellose, Mykobakteriosen, Q-Fieber, Pest, Staphylokokken- und Streptokokkeninfektionen und Syphilis.

Diagnostische Abklärung
Die Diagnose der Tularämie erfordert eine Kombination aus klinischem Verdacht und speziellen labordiagnostischen Methoden:
  • Serologische Tests: Der Nachweis von spezifischen Antikörpern gegen Francisella tularensis im Blut kann helfen, die Diagnose zu bestätigen. Diese Tests sind jedoch erst nach ein bis zwei Wochen Infektion positiv.
  • Molekulare Methoden: Die PCR (Polymerase-Kettenreaktion) kann genetisches Material des Erregers direkt nachweisen und ist besonders hilfreich bei frühzeitiger Diagnose.
  • Kultureller Nachweis: Eine direkte Anzucht des Erregers aus Blut, Gewebeproben oder Wundsekreten ist möglich, aber aufgrund der hohen Infektiosität des Erregers sollte dies nur in spezialisierten Laboren erfolgen.
  • Bildgebung: Bei Verdacht auf eine pulmonale Tularämie kann eine Röntgenaufnahme der Lunge oder eine CT-Untersuchung zur Diagnose einer Bronchopneumonie beitragen.

Therapie und Behandlung
Die optimale Therapie der Tularämie besteht aus einer zielgerichteten Antibiotikatherapie. Ohne adäquate Behandlung kann die Krankheit schwer verlaufen, mit der richtigen Therapie hingegen ist sie gut behandelbar. Wirksam gegen F. tularensis sind Aminoglykoside, Fluorchinolone, Tetracycline, Chloramphenicol und Rifampicin. Penicilline und andere Beta-Laktam-Antibiotika sind hingegen wirkungslos. Vor Ausschluss von Resistenzen sollte die Behandlung nicht mit Makrolidantibiotika erfolgen.
  • Erstlinien-Antibiotika: Die Gabe von Streptomycin oder Gentamicin über 10 bis 14 Tage gilt als Standardtherapie. Beide Antibiotika sind Aminoglykoside und wirken bakterizid.
  • Alternative Antibiotika:Bei Kontraindikationen gegen Aminoglykoside oder in milden Fällen können auch Doxycyclin oder Ciprofloxacin eingesetzt werden, die in der Regel über einen Zeitraum von 14 bis 21 Tagen verabreicht werden.
  • Symptomatische Behandlung: Fiebersenkende und schmerzstillende Massnahmen können zusätzlich zur Antibiotikatherapie verabreicht werden.
  • Isolationsmassnahmen: Aufgrund der hohen Infektiosität sollten der Kontakt mit infiziertem Material vermieden und Patienten isoliert werden, um eine Übertragung auf andere zu verhindern.

Epidemiologische Relevanz und Entwicklung
Tularämie gehört zu den Zoonosen, die weltweit etwa 60 Prozent der neuen Infektionskrankheiten ausmachen. In Deutschland wurden zwischen 2013 und 2023 steigende Fallzahlen beobachtet, von unter 10 Fällen im Jahr 2013 auf über 100 Fälle im Jahr 2023. Ähnliche Trends zeigen sich auch in der Schweiz, Österreich, Schweden und Finnland. Die Ursachen für diesen Anstieg sind noch nicht vollständig verstanden, aber der Klimawandel und die globale Erwärmung könnten dazu beitragen, dass vektorübertragene Infektionen häufiger werden.

Kontrollmassnahmen und Prävention
Da Tularämie sowohl Tiere als auch Menschen betrifft und über verschiedene Wege verbreitet wird, ist die Kontrolle der Krankheit besonders schwierig. Experten empfehlen daher einen integrativen One-Health-Ansatz, bei dem Gesundheitsbehörden, Humanmediziner und Veterinärmediziner eng zusammenarbeiten, um die Verbreitung der Tularämie effektiv zu kontrollieren und zu verhindern.
Impfstoff sind in Westeuropa meist nicht zugelassen. In den USA wurde zeitweise ein Impfstoff für Laborpersonal eingesetzt, wegen begrenzter Wirksamkeit und Nebenwirkungen heute jedoch nicht mehr. Nur Russland verfügt über einen kommerziell verfügbaren Impfstoff. In westlichen Staaten wird wegen der Gefahr eines Einsatzes von F. tularensis als Biowaffe bzw. durch Bioterroristen verstärkt an neuen Tularämie-Impfstoffen geforscht.

Aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen
Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Klimawandel und die sich verändernden Lebensräume von Tieren und Vektoren, wie Zecken, zu einer weiteren Ausbreitung von Tularämie beitragen könnten. Zudem wird intensiv daran geforscht, bessere Diagnosemethoden und wirksamere Behandlungen zu entwickeln, um die mit der Krankheit verbundenen Risiken zu minimieren.

Quellen
· Hintergrund F. tularensis, RKI.
· M. Buettcher et al. Tularemia on the rise in Switzerland? A one health approach is needed. Infection (2024) 52:1165–1169 https://doi.org/10.1007/s15010-024-02218-9
· Jones, K. et al. Global trends in emerging infectious diseases. Nature. Nature 451, 990–993 (2008). https://doi.org/10.1038/nature06536.
· DocCheck NEWS
· AI-supported

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