Die Folgen von Migräne betreffen viele Bereiche des täglichen Lebens: Diese chronische, neurovaskuläre Erkrankung ist nicht nur eine der häufigsten Ursachen für Krankschreibungen am Arbeitsplatz, sondern sie kann auch das Familien- und das gesellschaftliche Leben stark einschränken. Unterschieden wird zwischen episodischer Migräne (≤14 Kopfschmerztage/Monat) und chronischer Migräne (>14 Tage/Monat).
- Die Akuttherapie erfolgt oral mit sogenannten nichtsteroidalen Analgetika, darunter freiverkäufliche Schmerzmittel wie ACC, Diclofenac oder Ibuprofen, bei Nichtansprechen mit sogenannten Triptanen (Migränemedikamenten), ggf. kombiniert mit Medikamenten, die gegen Übelkeit und Erbrechen wirken (sogenannte Antiemetika).
- Bei zu häufigen Attacken wird eine Prophylaxe empfohlen, bislang beispielsweise mit Betablockern, Kalziumantagonisten wie Flunarizin, Valproat, Amitriptylin oder Topiramat. Bei chronischer Migräne sind Topiramat oder Botulinumtoxin Typ A am wirksamsten.
Zu den Nachteilen oraler Substanzen gehören, dass die Einnahme oft vergessen wird, sowie die relativ häufigen Nebenwirkungen, die eine schlechte Therapietreue begünstigen [3].
Calcitonin Gene related Peptide (CGRP), Gepante
Einer der grössten Fortschritte in der Migräneforschung der letzten Jahrzehnte war die Entdeckung, dass das Neuropeptid CGRP (Calcitonin Gene related Peptide) bei der Pathophysiologie der Migräne eine wichtige Rolle spielt [4]. CGRP wird bei Migräneattacken von Nervenzellen freigesetzt und wirkt vasodilatatorisch sowie inflammatorisch. Bei chronischer Migräne ist der CGRP-Wert im Blut erhöht. Die Erforschung des Mechanismus des CGRP bei der Migräne führte zur Entwicklung der CGRP-Rezeptor-Antagonisten, der neuen Substanzklasse der Gepante, sogenannte «small molecules“, die oral zur Akutbehandlung und Prävention der Migräne geeignet sind. Gepante blockieren den CGRP-Rezeptor, so dass CGRP nicht mehr an Blutgefässen «andocken“ und Symptome auslösen kann.
Monoklonale Antikörper
Speziell für die Migräneprophylaxe wurden ausserdem monoklonale Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor entwickelt, die sich in grossen placebokontrollierten Studien sowohl als wirksam als auch verträglich erwiesen [5, 6]. Die Besonderheit, dass monoklonale Antikörper nur intravenös oder subkutan (monatlich) verabreicht werden können, ist insofern von Vorteil, da die Einnahme nicht vergessen werden kann [3].
Grosse Metaanalyse
Eine grosse Metaanalyse [1] aus Innsbruck verglich nun die Wirksamkeit der drei am häufigsten verschriebenen migräneprophylaktischen Medikamente,
- Topiramat,
- Botulinumtoxin Typ A
- und monoklonale CGRP-Antikörper.
Dabei wurden placebokontrollierte, randomisierte Studien bis März 2020 einbezogen, die Ansprechraten von mindestens 50% berichteten. Diese war definiert als der Anteil der Teilnehmenden, die berichteten, dass sich die Häufigkeit der Migräneattacken bzw. der mittleren Zahl monatlicher Migränetage mindestens halbiert hatte. Ausgeschlossen wurden Studien, die keine Angaben zu den Ansprechraten machten, in denen die Medikamenten-Allokation unklar oder die Studienqualität insgesamt unzureichend war. Das primäre Outcome der Metaanalyse waren Ansprechraten von 50% oder mehr. Die Odds Ratios (ORs) wurden gepoolt berechnet. Von 6.552 identifizierten Publikationen waren entsprechend den Einschlusskriterien schliesslich 32 für die Metaanalyse geeignet. Studien zu monoklonalen Antikörpern (Eptinezumab, Erenumab, Fremenezumab und Galcanezumab) umfassten insgesamt 13.302 Patientinnen und Patienten; hier lag die gepoolte OR gegenüber Placebo für eine 50%-Response-Rate bei 2,3.
Bestes Nutzen-Risiko-Profil bei monoklonalen Antikörpern
Die Ergebnisse: Topiramat erhielten 1.989 Teilnehmende und das Medikament erwies sich als noch etwas effektiver als die Antikörper (OR 2,7). Botulinumtoxin Typ A (2.472 Teilnehmende) hingegen war vermeintlich nur halb so wirksam (OR 1,28). Dies lag wahrscheinlich daran, dass auch Studien mit Patienten mit episodischer Migräne berücksichtigt wurden, obwohl Botulinumtoxin A nur bei chronischer Migräne wirksam ist. Die Abbruchrate bei den Studienteilnehmenden betrug bei monoklonalen Antikörpern 5,1%, bei Topiramat 29,9% und bei Botox 3,4%.
«Topiramat zeigte zwar rein zahlenmässig die grösste Effektivität, hatte aber mit fast 30% auch die bei Weitem höchste Rate an Therapieabbrüchen», kommentiert Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen, Pressesprecher der DGN. «Betrachtet man das Nutzen-Risiko-Profil, schneiden die monoklonalen Antikörper am besten ab, die derzeit aber nur bei Therapieresistenz gegenüber den anderen verfügbaren Therapien vergütet werden.»
Auch nicht medikamentöse Verfahren von Nutzen
Gleichzeitig betont der Experte die Bedeutung der nicht-medikamentösen, multidisziplinären Verfahren in der Migräneprophylaxe, die auch Eingang in die Leitlinien gefunden haben. Besonders geeignet seien beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken, Biofeedback, Stressmanagement sowie regelmässige sportliche Betätigung.PS