Home/Verändertes Darmmikrobiom bei Parkinson-Patienten mit Appendektomie
imageBild: DGN; © iStock/Oleksandra Troian

Verändertes Darmmikrobiom bei Parkinson-Patienten mit Appendektomie

Zunehmend wird klar, dass die Darmflora eine Rolle bei der Entstehung verschiedener Krankheiten spielt, so auch bei neurodegenerativen Erkrankungen wie dem M. Parkinson. Eine aktuelle Studie ergab, dass bei manchen Parkinson-Betroffenen, bei denen eine Appendektomie erforderlich war, eine phylogenetische Veränderung des Darmmikrobioms nachweisbar ist. Die Daten deuten darauf hin, dass eine gesunde Darmflora eine wichtige Säule der Parkinsonprävention ist.

DGN3.3.20232"
Die Parkinson-Erkrankung ist die häufigste neurodegenerative Bewegungsstörung. Auch wenn heute eine gute symptomatische Behandlung möglich ist, gibt es noch keine kausale Therapie. Obwohl bereits viele Aspekte der Pathogenese aufgeklärt sind, ist nicht abschliessend geklärt, wie bzw. wo die Erkrankung wirklich beginnt. Nur bei einem Teil der Betroffenen besteht eine genetische Veranlagung.

Fehlgefaltetes α-Synuklein
Gesichert ist, dass bei der Pathophysiologie die molekulare Fehlfaltung des Proteins α-Synuklein eine wesentliche Rolle spielt. Während α-Synuklein in gesunden Gehirnzellen in löslicher Form vorliegt, aggregiert fehlgefaltetes α-Synuklein – die Aggregate sind als sogenannte Lewy-Körper histologisch nachweisbar. Diese Proteinaggregate breiten sich über Jahre im Gehirn weiter von Zelle zu Zelle aus. Betroffen sind besonders die dopaminproduzierenden Nervenzellen; der zunehmende Mangel des Botenstoffs Dopamin ruft die Parkinson-Symptomatik hervor.

Mikrobiom und Darm-/Hirnkommunikation
Seit einiger Zeit ist bekannt, dass die Darmflora (Mikrobiom) viele Stoffwechselvorgänge und andere Prozesse im Körper beeinflusst und zur Entstehung von Krankheiten beitragen kann – dies gilt auch für neurodegenerative Erkrankungen. Zwischen Darm und Gehirn gibt es eine wechselseitige Kommunikation über Nervenbahnen (z. B. den Vagusnerv), die «Darm-Hirn-Achse». Botenstoffe dieser Kommunikation sind unter anderem Stoffwechselprodukte von Darmbakterien. Tatsächlich wurde mehrfach gezeigt, dass sich die Zusammensetzung des Mikrobioms bei Parkinson von der gesunden Darmflora unterscheidet. Bei Parkinson-Betroffenen können sich bereits bis zu 20 Jahre vor der Diagnosestellung nicht-motorische Symptome wie Depression, Geruchs- oder Schlafstörungen entwickeln – auch eine chronische Verstopfung (eines der häufigsten nicht-motorischen Parkinson-Symptome) gehört dazu, was ebenfalls als Hinweis auf einen Zusammenhang mit der Darmfunktion gewertet wird.

Unlösliches α-Synuklein im Appendix
Der Appendix dient vermutlich unter anderem als Reservoir für bestimmte Darmbakterien; dies ist z.B. von Bedeutung für unser Immunsystem. Im Darm bzw. vor allem im Appendix konnten ausserdem geringe Mengen von unlöslichem α-Synuklein nachgewiesen werden – auch bei Gesunden; bei Parkinson-Erkrankten fand man jedoch etwas grössere Mengen (auch schon in der Frühphase, dem Prodromalstadium der Erkrankung). Darüber hinaus wurde gezeigt, dass unlösliches α-Synuklein über den N. vagus ins Gehirn gelangen kann. Schon länger wird daher ein Zusammenhang zwischen einer Appendizitis mit Notwendigkeit einer Operation bzw. einem dabei veränderten Mikrobiom mit dem späteren Parkinson-Risiko vermutet; die bisherige Studienlage dazu ist jedoch widersprüchlich.

Studie: Appendektomie verändert Darmflora
Eine Studie untersuchte nun die Korrelation zwischen Mikrobiomveränderungen bei Appendektomie und der Parkinsonerkrankung. Dazu wurden 20 Stuhlproben von Parkinsonpatienten (P) und gesunden Kontrollen (K) – jeweils mit und ohne Appendektomie (+/-APP) bezüglich der bakteriellen Zusammensetzung analysiert und verglichen (P/+APP, P/-APP, K/+APP, K/-APP, jeweils n=5). Das mediane Alter der Teilnehmer betrug 70 Jahre (IQR 67-71); 60% waren weiblich.

Parkinsonerkrankte hatten tendenziell ein geringeres Gewicht als die gesunden Kontrollpersonen und litten häufiger an schwerer Verstopfung, insbesondere nach der Appendektomie. Diese Unterschiede waren statistisch aber nicht signifikant (p=0,12). Es bestanden zwischen den Parkinsongruppen mit und ohne APP (P/+APP, P/-APP) keine signifikanten Unterschiede beim Erkrankungsalter, der bisherigen Krankheitsdauer, verschiedenen diagnostischen Testbefunden (HY-Skala, UPDRS, MMSE, OSIT-J) und auch nicht bei den Dosierungen der Parkinson-Medikamente (Levodopa-Äquivalente).

Insgesamt zeigte sich, dass die Appendektomie per se die Darmflora beeinflusste.
  • So gab es einen signifikanten Unterschied zwischen appendektomierten und nicht-appendektomierten Teilnehmern (p=0,047), insbesondere waren sog. Fusobakterien nach Appendektomie reduziert (p=0,047).
  • Unabhängig von der Appendektomie hatten Parkinsonpatienten signifikant mehr Darmbakterien aus der Familie der Enterobacteriaceae als gesunde Kontrollpersonen (p=0,04).
  • Weiter fand sich ein signifikanter Unterschied in der phylogenetischen Zusammensetzung des Mikrobioms zwischen gesunden Kontrollen und appendektomierten Parkinsonpatienten.
  • Es gab ausserdem einen signifikanten Unterschied im Mikrobiom zwischen Parkinsonpatienten und appendektomierten gesunden Kontrollen.
Zusammenhang zwischen Darmflora und Parkinson?
Diese Ergebnisse lassen bei appendektomierten Personen einen Zusammenhang zwischen Darmflora und Parkinson vermuten, so die Studienautoren. Sie halten eine Parkinson-Pathogenese für denkbar, bei der als erstes Enterobacteriaceae unlösliches α-Synuklein im Darm induzieren. Dort dient der Wurmfortsatz als Reservoir der Synuklein-Aggregate, die dann im Verlauf über den N. vagus vom Darm ins Gehirn gelangen und sich dort weiter ausbreiten. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass es sich um eine vorläufige Studie handle mit kleiner Teilnehmendenzahl. Daher solle dies nun in grossen Kohorten weiter untersucht werden.

Gesunde Darmflora als wichtige Säule der Parkinsonprävention
«Auch wenn die Studie die Rolle der Appendix bei der hochkomplexen Pathogenese des M. Parkinson noch nicht konkretisieren konnte, so unterstützt sie doch erneut die Hypothese, dass ein verändertes Mikrobiom eine Rolle spielt. Bei manchen Parkinson-Kranken scheint der Darm als erstes betroffen sein, das Darmmikrobiom initiiert die Synuclein-Fehlfaltung, was dann an das Gehirn weitergegeben wird», so Prof. Dr. med. Lars Timmermann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. «Im Lauf des Lebens beeinflussen viele Faktoren unsere Darmflora, z.B. Ernährung, Antibiotika, Rauchen, Stress und Erkrankungen. Umgekehrt wird eine gesunde Darmflora nachweislich durch eine gesunde Lebensweise und durch eine ausgewogene, insbesondere mediterrane Kost gefördert. Die aktuellen Daten zeigen, dass eine gesunde Darmflora eine wichtige Säule der Parkinsonprävention ist.»PS


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)/Pressemitteilung, 28.02.2023

Rosenbergstrasse 115
8212 Neuhausen am Rheinfall
Telefon: +41 52 675 51 74
info@docinside.ch
www.docinside.ch

Handelsregistereintrag
Firmenname: DOCINSIDE AG
UID: CHE-412.607.286

Über uns
Bankverbindung

Schaffhauser Kantonalbank
8200 Schaffhausen
IBAN: CH76 0078 2008 2797 0810 2

Mehrwertsteuer-Nummer
CHE-412.607.286

Kontakte

Dr. med. Adrian Müller
Betrieb und Inhalte
adrian.mueller@docinside.ch

Dr. med. Richard Altorfer
Inhalte und Redaktion
richard.altorfer@docinside.ch

Dr. med. Christine Mücke
Inhalte und Redaktion
christine.muecke@docinside.ch

Copyright © 2021 Alle Rechte vorbehalten.
Powered by Deep Impact / Spectra