Gut ein Drittel aller weltweiten Todesfälle gehen auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurück. Diese entwickeln sich oft schleichend über Jahrzehnte: Häufig unbemerkt, verändern sich die Gefässwände und es entsteht eine Arteriosklerose, in deren Folge es zur koronaren Herzkrankheit und deren Komplikationen wie dem Herzinfarkt, akutem Herztod oder einem Schlaganfall kommen kann.
Studie: 1,5 Millionen Menschen aus 34 Ländern
Das Global Cardiovascular Risk Consortium wertete die individuellen Daten von 1,5 Millionen Menschen aus 112 Kohortenstudien aus, die aus 34 Ländern der acht geographischen Regionen Nordamerika, Lateinamerika, Westeuropa, Osteuropa und Russland, Nordafrika und Mittlerer Osten, Subsahara-Afrika, Asien und Australien stammen. Ziel der Studie war es, ein besseres Verständnis für die weltweite Verteilung, die Bedeutsamkeit der einzelnen Risikofaktoren und deren Auswirkungen auf kardiovaskuläre Erkrankungen und die Gesamtsterblichkeit zu erhalten, um daraus gezielte präventive Massnahmen abzuleiten.
Fünf klassische Risikofaktoren
«Unsere Studie zeigt deutlich, dass über die Hälfte aller Herzinfarkte und Schlaganfälle durch die Kontrolle und Behandlung der klassischen Risikofaktoren
- Übergewicht,
- Bluthochdruck,
- erhöhte Cholesterinwerte,
- Rauchen und
- Diabetes mellitus
vermeidbar sind.
Diese Ergebnisse haben höchste Bedeutung, wenn wir die Prävention in diesem Bereich stärken wollen. Gleichzeitig sind rund 45 Prozent der weltweiten kardiovaskulären Erkrankungen nicht durch diese Risikofaktoren erklärt und sollten uns zu weiteren Forschungsanstrengungen motivieren», sagt Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefässzentrums des UKE.
«Die untersuchten fünf klassischen Risikofaktoren sind prinzipiell modifizierbar und damit zugänglich für präventive Massnahmen. Bisher gab es widersprüchliche Studienergebnisse, welcher Anteil der kardiovaskulären Erkrankungen durch diese Risikofaktoren tatsächlich erklärt ist», so die Erstautorin Priv.-Doz. Dr. Christina Magnussen, Klinik für Kardiologie im Universitären Herz- und Gefässzentrum des UKE.
Regionale Unterschiede bei den Risikofaktoren
Die Studie zeigte Unterschiede in den acht globalen Regionen hinsichtlich der Häufigkeit der Risikofaktoren. Höchste Werte für Übergewicht sahen die Wissenschaftler in Lateinamerika, für Bluthochdruck und erhöhte Cholesterinwerte in Europa. Der Risikofaktor Rauchen ist besonders in Lateinamerika und Osteuropa ausschlaggebend, Diabetes mellitus in Nordafrika und im Mittleren Osten.
Anteil des kardiovaskulären Risikos nicht geklärt
Alle fünf Risikofaktoren zusammen erklären 57,2 Prozent des kardiovaskulären Risikos bei Frauen und 52,6 Prozent des kardiovaskulären Risikos bei Männern. Damit ist ein erheblicher Anteil des kardiovaskulären Risikos weiterhin nicht geklärt. Im Vergleich dazu erklären die fünf Risikofaktoren lediglich rund 20 Prozent des Risikos zu versterben (Gesamtsterblichkeit).
Lineare und nicht lineare Zusammenhänge
Die Studie macht ausserdem deutlich, dass erhöhter Blutdruck oder erhöhte Cholesterinwerte linear mit dem Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen zusammenhängen: Je höher die Werte sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen. Dieses Ergebnis gilt für alle untersuchten weltweiten Regionen. Einen bemerkenswerten Zusammenhang stellten die Wissenschaftler zudem zwischen dem Cholesterinspiegel und der Gesamtsterblichkeit fest: Sowohl sehr niedrige wie auch hohe Cholesterinwerte bedingen eine erhöhte Gesamtsterblichkeit.
Bedeutung der Risikofaktoren sinkt mit dem Alter
Die Bedeutung aller Risikofaktoren nimmt über das Alter ab, beispielsweise ist ein erhöhter Blutdruck für 40-Jährige schädlicher als für 80-Jährige. Einzige Ausnahme bildet dabei der Body-Mass-Index (BMI), der in jedem Alter gleichermassen bedeutsam ist. «Dies wirft die Frage auf, inwieweit die Zielwerte zur Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren im höchsten Lebensalter identisch mit denjenigen im mittleren bis höheren Lebensalter sein sollten», sagt Prof. Blankenberg.
Umfangreiche Ansatzpunkte für präventive Massnahmen
Die Studie liefert einen umfangreichen Datensatz, um bei Menschen mit kardiovaskulärem Risiko oder Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen durch Verbesserung des Lebensstils und durch Senkung erhöhter Blutdruck- oder Cholesterinwerte die kardiovaskulären Erkrankungen zu vermeiden oder ihre Folgen zu verringern. «Ein erhöhter systolischer Blutdruck erklärte den grössten Teil des kardiovaskulären Risikos. Wir sollten besonderes Augenmerk auf die Therapie von Patienten mit erhöhtem Blutdruck legen, um kardiovaskuläre Erkrankungen soweit wie möglich zu vermeiden», sagt Priv.-Doz. Dr. Magnussen.PS