«Unter Immundefizienz wird eine Gruppe von verschiedenen angeborenen, seltenen Krankheitsbildern verstanden, die meist aufgrund von Mutationen einzelner Gene entstehen. Diese Krankheitsbilder werden unter dem Begriff «inborn errors of immunity (IEI)» zusammengefasst», erklärt Dr. med. Maria Fasshauer, Kongresspräsidentin der GKJR.
Fast 500 primäre Immundefekterkrankungen bekannt
Immundefizienz kann nahezu alle Komponenten des Immunsystems betreffen. Inzwischen sind fast 500 primäre Immundefekterkrankungen bekannt. Weil diese Erkrankungen oft nur durch ein einziges defektes Gen vererbt werden, könnten sie, so die Expertin, als Experiment der Natur verstanden werden. Sie geben der Forschung Einblicke in immunologische Signalwege und geben so in ein besseres Verständnis der Mechanismen des Immunsystems.
Die meisten immunologischen Störungen bei Kindern zeichnen sich durch eine übermässig hohe Infektionsanfälligkeit aus. «Viele IEI gehen aber auch - scheinbar paradoxerweise - mit Immundysregulation wie Autoimmunität oder Autoinflammation, durch das eigene Immunsystem scheinbar grundlos ausgelöste Entzündungen, einher. Sie können sogar Erstsymptom oder Hauptmerkmal der IEI sein», erläutert Fasshauer.
Bei jungen Patienten auf Immundefekte prüfen
In den letzten zehn Jahren wurde durch moderne genetische Sequenzierungsmethoden eine zunehmende Anzahl an IEI identifiziert, die sich auch in Form rheumatischer Erkrankungen manifestieren können.
Entscheidend sei daher, insbesondere bei jungen Patienten zu prüfen, ob zugrundeliegende Immundefekte erkennbar sind. Ist dies der Fall, kann durch massgeschneiderte Immunmodulation, zum Beispiel mit bestimmten Biologika oder Small-Molecule-Inhibitors ganz gezielt in den fehlerhaften Mechanismen dieser Krankheitsbilder eingegriffen werden. Rheumatische Symptome, wie Entzündungen, können so zum Teil ganz gezielt unterdrückt werden.
Das Verständnis der Verbindung von Immunologie und Rheumatologie ermöglicht gezielte therapeutische Ansätze nicht nur in Bezug auf seltenen Immundefekterkrankungen, sondern auch die häufiger vorkommenden, multifaktoriellen, rheumatischen Erkrankungen. «Die Immunologie nimmt einen immer grösseren Raum in unserem Fach ein. Zurecht, denn sie hilft uns, zu verstehen, welche Ursachen rheumatische Erkrankungen haben können. In der Kinder- und Jugendrheumatologie begegnen wir besonders häufig Immundefekten, da diese zumeist angeboren sind und sich daher früh im Leben eines Menschen zeigen können», sagt Professor Dr. med. Baerwald, Kongresspräsident der DGRh aus Leipzig. Umso wichtiger sei es, ausreichende Versorgungsstrukturen auch für junge Patienten zu schaffen.PS