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Wenn die Nase ins Knie geht

Die Würzburger Universitätsmedizin erhält umfangreiche finanzielle Unterstützung, um die Herstellung von körpereigenem Knorpelgewebe aus der Nase als Implantat zur Regeneration von moderaten und fortgeschrittenen Knorpeldefekten im Knie zu etablieren und das Verfahren für die Zulassung vorzubereiten. Die Studie wird auch vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert.

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«Wir entnehmen unseren Patienten ein kleines Stück Knorpel aus der Nasenscheidewand, züchten es auf einer strukturgebenden Kollagenmatrix und implantieren es vier Wochen später in das geschädigte Knie, damit sich der Knorpel regeneriert», erklärt Privatdozent Dr. Oliver Pullig, Leiter der GMP-konformen ATMP-Entwicklung am Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin (TERM) des Universitätsklinikums Würzburg (UKW).

Mögliche Alternative zum künstlichen Gelenkersatz
Dass diese Methode der Knorpelregeneration funktioniert und sowohl wirksam als auch sicher ist, hat der Biologe bereits in der BIO-CHIP-Studie mit einem internationalen Team unter der Leitung des Universitätsspitals Basel an mehr als 100 Personen erfolgreich gezeigt.

Während in dieser Studie fokale Knorpelläsionen, zum Beispiel nach einem Unfall, mit dem gezüchteten Knorpelgewebe aus der Nase behandelt wurden, sollen in die ENCANTO-Studie erstmals Patienten mit weiter fortgeschrittenen Knorpeldefekten aufgenommen werden. Geprüft wird, ob das Verfahren eine Alternative zur Prothese und damit eine neue Therapie bei der Patellofemoralen Arthrose (PFOA) darstellt.

Die von Oliver Pullig geleitete Arbeitsgruppe «GMP-konforme ATMP-Entwicklung» ist gemeinsam mit einem Team aus Basel für die Herstellung der Implantate verantwortlich. Die Knorpelmatrix wird in zwölf klinischen Zentren in Europa eingesetzt, unter anderem in der Orthopädischen Universitätsklinik in Würzburg. Im Rahmen eines weiteren Projekts zur Behandlung der PFOA, das vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) mit insgesamt 2,6 Millionen Schweizer Franken gefördert wird, erhält das UKW 415 000 Euro für die Herstellung nach GMP-Richtlinien (Good Manufacturing Practice).

GMP-konforme Entwicklung von ATMP
Die Implantation des Knorpelgewebes ist relativ einfach, der Aufwand die Knorpel ausserhalb des Körpers zu züchten jedoch immens. Da das Implantat aus lebenden Zellen besteht, gehört es zu den Arzneimitteln für neuartige Therapien, kurz ATMP (Advanced Therapy Medicinal Products). Das heisst: Es unterliegt besonderen Regularien. «Wir haben uns bereits im BIO-CHIP-Projekt um die komplexen Aufgaben und Formalitäten rund um die Herstellung und Logistik gekümmert», berichtet Oliver Pullig. Nun liege die Herausforderung darin, die hohen Auflagen für die Herstellung und die Qualität des Produkts konstant zu halten. «Es sind menschliche Zellen. Die machen nicht immer das, was wir wollen oder erwarten», schildert Dr. Sarah Nietzer. «Wir benötigen mehr Daten, um zu verstehen, warum zum Beispiel die Zellen von einer Person nicht so gut wachsen wie bei einer anderen. Ausserdem arbeiten wir an einem Verfahren, wie wir die Qualität der Zellen und ihre Viabilität über den gesamten Herstellungsprozess, also in real time, überwachen und nicht erst am Ende prüfen können. Es wäre grossartig, wenn wir diese neue Methode auch auf andere Modelle übertragen könnten, mit denen wir am Lehrstuhl verschiedene Krankheiten nachstellen.»

N-TEC – Nasal Chondrocyte-based Tissue-Engineered Cartilage
Doch wie wird solch ein Gewebeimplantat hergestellt? Zunächst wird den Studienteilnehmern ein winziges Stückchen Knorpelgewebe aus der Nasenscheidewand entnommen. Die Knorpelzellen aus der Nase sind denen des Knies sehr ähnlich. Sie sind mechanisch belastbar und lassen sich gut im Labor vermehren. Nach der Entnahme wird das Knorpelgewebe unter strengsten aseptischen Bedingungen im Reinraum aufbereitet. Die Zellen werden isoliert und kultiviert und schliesslich auf eine 4 x 5 cm grosse Trägerstruktur gegeben. Dort wandern die Zellen in die als Medizinprodukt zugelassene Kollagenmembran ein und bauen ihre eigene Knorpelmatrix. Nach vier Wochen ist das Implantat namens N-TEC für nasal chondrocyte-based tissue-engineered cartilage einsatzbereit.

Echte Chance für Volkskrankheit Arthrose
«In der BIO-CHIP-Studie hatten wir auch ein weniger zeitaufwändiges Verfahren untersucht, bei dem die Zellen nur zwei Tage auf der Matrix waren. Die Qualität war gut, doch die länger gereifte Matrix war stabiler und wurde auch vom Operateur bevorzugt, der das neue Gewebe aus körpereigenen Zellen auf die defekte Stelle im Knorpel legt und mit dem unversehrten Knorpelgewebe vernäht», berichtet Oliver Pullig. Neu sei, dass für die Kultivierung der Zellen kein körpereigenes Blut mehr benötigt wird und statt einer Matrix zwei hergestellt werden können. Somit liessen sich auch grosse Flächen an Knorpeldefekten therapieren.

Sollten sich die Implantate als echte Alternative zur Prothese erweisen, würden sie Pullig zufolge die Behandlung von Knorpeldegenerationen geradezu revolutionieren. Bislang beschränken sich die therapeutischen Ansätze auf Schmerzbehandlung oder künstlichen Gelenkersatz. Dabei sind weltweit mehr als 500 Millionen Mensch von der schmerzhaften und mit Behinderungen einhergehenden Arthrose im Kniegelenk betroffen. Und die Volkskrankheit Arthrose nimmt aufgrund des vermehrten Übergewichts und der steigenden Lebenserwartung stetig zu.PS

Quelle: Uniklinikum Würzburg, Pressemitteilung vom 09.02.2024

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