Röntgen in 4D: Neue Methode revolutioniert Schulterdiagnostik
Eine neue Röntgentechnik ermöglicht erstmals eine 3D-Aufnahme der Schulter während der Bewegung – und liefert dabei millimetergenaue Daten zur Gelenkstabilität. Entwickelt an der Empa, soll die Methode die Diagnose von Schulterinstabilitäten deutlich verbessern und unnötige Operationen vermeiden helfen.
Sarah Bourdely8.7.20254"
Viele Patientinnen und Patienten klagen nach einer behandelten Schulterverletzung weiterhin über Beschwerden. Sie berichten, die Schulter «halte nicht» oder «rutsche leicht heraus». Instabile Schultern lassen sich jedoch schwer diagnostizieren. Denn: Die Beschwerden treten meist nur bei Bewegung auf.
«Bis zu zwei Drittel der operierten Patienten kugeln sich die Schulter erneut aus und suchen wieder Hilfe. Das zeigt, dass es in der Diagnostik und Therapieplanung ein grosses Optimierungspotenzial gibt.» Ameet Aiyangar, Empa.
Ameet Aiyangar, Forscher an der Empa, hat nun ein Verfahren entwickelt, das die Schulter in Bewegung dreidimensional abbildet. Möglich wird dies durch die Kombination von synchronisierten Röntgenaufnahmen und digitalen 3D-Knochenmodellen – mit einer Genauigkeit von bis zu 0,1 Millimetern, wie die Empa mitteilt.
Mehr Sicherheit, weniger Operationen
Aktuell sind Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose instabiler Schultern auf subjektive Einschätzungen angewiesen. Statische Verfahren wie Röntgen oder MRT erfassen keine Bewegung.
Mit der neuen Technologie können die Empa-Forschenden Instabilitäten erstmals quantitativ messen und gezielt analysieren. Fachpersonen bietet dies eine präzisere Entscheidungsgrundlage, ob eine physiotherapeutische Behandlung ausreicht oder eine Operation notwendig ist. «Das vermeidet unnötige chirurgische Eingriffe oder zögert sinnvolle nicht unnötig hinaus und ermöglicht so eine individuell optimierte Therapie», sagt Aiyangar.
Für die dynamischen 3D-Bilder der Schulter kommt ein biplanares radiographisches Bildgebungssystem (DBRI) zum Einsatz. Bild: Empa.
Nicht nur die groben Bewegungsmuster eines Gelenks, sondern auch die kleinsten, für die Stabilität entscheidenden Roll- und Gleit-Bewegungen erfasst die neue Method – mit einer Genauigkeit im Bereich von 0,1 bis 0,5 Millimetern. «Das ist ein entscheidender Fortschritt, denn konventionelle Bewegungslabore mit Infrarotkameras und Markern auf der Haut weisen eine Ungenauigkeit von 20 bis 40 Millimeter auf – viel zu unpräzise, um Instabilitäten verlässlich zu erkennen», so Aiyangar.
Kooperation mit dem Inselspital
Für die dynamischen 3D-Bilder der Schulter kommt ein biplanares radiographisches Bildgebungssystem (DBRI) zum Einsatz das bei sitem-insel, dem Schweizer Institut für Translationale und Unternehmerische Medizin in Bern, installiert ist. Es wurde in enger Zusammenarbeit mit der Empa und dem Inselspital Bern entwickelt.
«Langfristig hoffen wir, dass unsere vierdimensionale Bewegungsanalyse ihren Weg in die klinische Praxis findet. Denn bei der Behandlung von Gelenkinstabilitäten liegt das Problem hauptsächlich in der Dynamik.» Ameet Aiyangar, Empa.
In einer kommenden Studie sollen 40 Patientinnen und Patienten mit unbehandelter Schulterinstabilität vor und nach einer Muskeltherapie untersucht werden. Langfristig will Aiyangar die Technik so weiterentwickeln, dass sie ganz ohne strahlenbasierte Bildgebung auskommt – etwa über kraftgesteuerte, patientenspezifische 3D-Modelle.