An der Umfrage, bei der nach der Situation im Jahr 2022 gefragt wurde, haben sich über 3200 Assistenz- und Oberärzte beteiligt. Bei 68 Prozent (2019: 62%) weichen die Arbeitszeiten vom Arbeitsgesetz ab. Immer noch arbeitet rund jede zweite Person im Durchschnitt mehr als 50 Stunden pro Woche. Aufgerechnet auf ein 100-Prozent-Pensum betrug die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 56.3 Stunden und lag damit sogar leicht höher als 2019 (55.7 Stunden).
Trotzdem gibt es auch positive Entwicklungen: Die Zahl der kumulierten Überstunden ist von 137 auf rund 134 gesunken und die Vorschrift, nicht mehr als sieben Tage am Stück zu arbeiten, wird weniger oft missachtet. Mittlerweile sind es fast zwei Drittel der Befragten, die diese Vorschrift 2022 immer einhalten konnten. Beide positiven Entwicklungen sind vermutlich mindestens teilweise darauf zurückzuführen, dass der Anteil der teilzeitarbeitenden Ärzte weiter gestiegen ist. 2022 waren es 33%, die in einem Teilzeitpensum beschäftigt waren, gegenüber 27% im 2019.
Belastung wird immer stärker
Erschreckend an den Umfrageresultaten ist vor allem die Entwicklung bei den Auswirkungen der zu hohen Arbeitszeiten. Die Arbeit wird als immer belastender empfunden. Seit der ersten Befragung 2013 sind es jedes Mal mehr Assistenz- und Oberärzte, die sich immer häufiger müde und ausgelaugt fühlen. 2022 dachte jede zweite Person (52%) mindestens ab und zu «Ich kann nicht mehr». 2019 lag dieser Wert noch bei 39%. «Das zeigt, dass die jungen Ärzte immer stärker unter Druck stehen. Die Spitäler müssen die Arbeitsbedingungen unbedingt verbessern, um diese hochmotivierten und bestens qualifizierten Fachpersonen im Arztberuf zu halten», sagt dazu Angelo Barrile, Präsident des vsao und SP-Nationalrat.
Die Arbeitsbedingungen wirken sich auch auf Patienten aus. Erneut sind es mehr Ärzte, die von Situationen berichten, in denen Patienten wegen der beruflich bedingten Übermüdung von Ärzten gefährdet waren. 59% der Antwortenden haben dies in den letzten zwei Jahren mindestens einmal erlebt, 2019 waren es noch 51%.
Erstmals befragt wurden die Assistenz- und Oberärzte nach den Weiter- und Fortbildungsbedingungen. Assistenzärzte müssen gemäss Weiterbildungsordnung des SIWF wöchentlich mindestens vier Stunden strukturierte Weiterbildung erhalten, wobei dies gemäss SECO auf Arbeitszeit erfolgen muss. Die Umfrage zeigt, dass nur jede fünfte Person (21%) diese Weiterbildung tatsächlich im vorgeschriebenen Umfang absolvieren kann. Ein Umstand, den es ebenfalls dringend zu ändern gilt.
Ein Runder Tisch um Lösungen zu diskutieren
Der Arztberuf ist für viele trotz allem immer noch ein Traumberuf, der sehr erfüllend ist. Die jungen Ärzte sind entsprechend motiviert, konstruktiv an Lösungen mitzuarbeiten. Der vsao organisiert deshalb am 9. Juni einen Runden Tisch, an dem unter anderem das BAG, der Verband der Spitäler (H+), die Kantone (GDK), das SIWF und die FMH teilnehmen werden. Gemeinsam sollen Wege gefunden werden, wie die Arbeitsbedingungen der Assistenz- und Oberärzte spürbar und wirkungsvoll verbessert werden können.
Ein Handbuch, um den administrativen Aufwand zu reduzieren
Ein Baustein für die Verbesserung der Situation ist die Reduktion von Bürokratie. Ärzte verbringen immer mehr Zeit mit administrativen Aufgaben, die entweder unnötig sind oder besser von anderen Personen erledigt werden sollten.
Der vsao hat deshalb kürzlich das Handbuch «Medizin statt Bürokratie» publiziert. Dieses kann Spitälern dabei helfen, den administrativen Aufwand zu reduzieren, damit Ärztinnen und Ärzte sich ihrer Kernkompetenz widmen können – der Arbeit mit Patientinnen und Patienten. Das Handbuch ist unter
www.medizin-statt-buerokratie.ch abrufbar.
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