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Chancen und Herausforderungen neuer Arbeitsmodelle in der Hausarztpraxis

Neue Arbeitsmodelle prägen die Zukunft der Hausarztmedizin. Sie erhöhen Effizienz, Qualität und Attraktivität als Arbeitgeberin – fordern Praxen aber organisatorisch, kulturell und finanziell.

Dr. med. Barbara Lüpold1.12.20255"
Team-based Care, flexible Rollen und digitale Kollaboration sind kein Selbstzweck. Die Hausarztpraxis Möriken AG nutzt seit über 15 Jahren elektronische Krankengeschichten und Diktierlösungen – mit sicherem Zugriff «von überall».

Ärztinnen, MPAs und MPKs arbeiten vor Ort und remote; Telemedizin ist integriert, variable Arbeitszeiten sind etabliert. Vereinbarkeit ist Leitprinzip – getragen von einem multiprofessionellen Team mit klaren Zusatzkompetenzen (MPK klinische Richtung, Praxismanagement, Ausbildung).
New Work in der Hausarztmedizin
New Work umfasst flexible Arbeitsmodelle, neue Führungsbilder, Kollaboration, lernende Organisationen und den produktiven Einsatz neuer Technologien. Treiber sind Digitalisierung, Globalisierung und veränderte Werte – insbesondere Sinnhaftigkeit, Selbstwirksamkeit und Mitarbeiterzufriedenheit.
Was sind Chancen?
  • Produktivität und Effizienz steigen
  • Anpassungsfähigkeit nimmt zu
  • Mitarbeiterzufriedenheit und Bindung verbessern sich
  • Innovation wird wahrscheinlicher
Was sind Herausforderungen?
  • Aufbau neuer Fähigkeiten und Kompetenzen
  • Anpassung an neue Modelle und Kultur
  • Hohe Ansprüche an Organisation und Kommunikation
Spezifisch für Hausarztpraxen
Neue Arbeitsmodelle entfalten ihr Potenzial besonders dort, wo Teamarbeit gelebter Alltag ist. Wenn Hausärzte, MPAs, MPKs und weitere Gesundheitsfachpersonen eng zusammenarbeiten, verbessert sich die Patientenversorgung spürbar: Informationen fliessen, Zuständigkeiten sind klar, Entscheidungen werden schneller und fundierter getroffen. Gleichzeitig wächst das gegenseitige Verständnis zwischen den Berufsgruppen.

Wer die Perspektive der anderen kennt, übergibt nahtloser, dokumentiert gezielter und nutzt Kompetenzen dort, wo sie den grössten Nutzen stiften. Davon profitiert auch die Entwicklung des Personals: Neue Wege der Aus- und Weiterbildung ermöglichen gezielte Spezialisierung und iterative Lernschleifen im Alltag. Flexiblere Arbeitszeiten erhöhen zudem die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – mit positiven Effekten auf Motivation, Bindung und Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeitender.

Der Weg dorthin ist jedoch anspruchsvoll. Die Implementierung neuer Modelle verlangt Zeit, Methodik und ein klares Zielbild. Rollen verändern sich – und das verläuft nicht immer konfliktfrei: Zuständigkeitsgrenzen müssen neu gezogen, Delegation aktiv eingeübt und Verantwortung neu verteilt werden. Ohne soliden Business Case bleibt die Umsetzung fragil; Finanzierung, Ressourceneinsatz und erwartete Effekte gehören früh sauber durchgerechnet.

Mit wachsender Rollenvielfalt nimmt die Komplexität der interprofessionellen Koordination zu – Übergaben, Eskalationswege und Qualitätsstandards brauchen verbindliche Regeln. Entscheidend wird damit die Qualität von Kommunikation und Führung: Transparente Entscheidungen, klare Prioritäten und konsequente Feedbackschleifen schaffen Orientierung und Stabilität – die Grundlage, damit neue Arbeitsmodelle im Praxisalltag wirksam werden.
Team-based Care und neue Rollen
Die Praxis der Zukunft ist multiprofessionell: MPA, MPK, APN, Praxismanager/in, Reception, Labor – ergänzt um digitale Rollen wie «digitale MPA» oder «digitaler Arzt». Delegation, Praxisverbünde und Telemedizin sind Kernelemente. Ziel: Qualität, Effizienz und Patientenzufriedenheit verbessern.

Praxis-Tipp:
  • Aufgaben konsequent entlang Kompetenzen verteilen
  • Delegationspfade schriftlich festlegen
  • Supervision, Feedback und Eskalationswege klären
Drei Impulse aus der Praxis – sofort umsetzbar
1. Fokussierte Arbeitszeit:
Wo lässt sich mit wenig Aufwand viel bewegen? Schaffen Sie störungsfreie Slots für anspruchsvolle Tätigkeiten (z. B. Nachbearbeitung, Supervision, Qualitätsarbeit) – sichtbar im Kalender und teamweit respektiert.

2. Differenzierte Bedarfe:
Nicht alle brauchen dasselbe. Erheben Sie individuell, welche Tools, Zeiten und Unterstützungen jede Rolle wirklich benötigt – und reduzieren Sie Ballast konsequent.

3. Mehr von Gutem, weniger von Mühsamem:
Welche Tools/Arbeitsformen zahlen nachweislich auf Qualität und Entlastung ein? Integrieren Sie diese bewusst – und lassen Sie anderes weg. Weniger ist oft mehr.
Führung und Kultur: Von Kontrolle zu Klarheit
New Work verlangt Führung, die Orientierung gibt statt zu kontrollieren. Klar formulierte Ziele, Rollen und Verantwortlichkeiten schaffen Verlässlichkeit im Alltag und reduzieren Reibungsverluste. Transparente Entscheidungsprozesse machen nachvollziehbar, wer wann worüber entscheidet – und auf welcher Datengrundlage.

Eine lernende Organisation lebt von kontinuierlichem Lernen: Wissen wird geteilt, Erfahrungen werden ausgewertet, Verbesserungen rasch umgesetzt. Regelmässige Team-Reflexion und kurze Feedbackzyklen sorgen dafür, dass Signale früh erkannt, Fehler korrigiert und gute Praktiken verbreitet werden. Die Basis dafür sind kurze, klare SOPs und Checklisten mit verbindlichen Standards – digital zugänglich, aktuell gehalten und auditierbar.

Die Technologie soll als Enabler – nicht als Selbstzweck – eingesetzt werden. Elektronische KG, Spracherkennung, gesicherter Remotezugriff und Telemedizin sind heute Standardbausteine. Wirkung entfalten sie erst durch die intelligente Einbettung in die Praxisprozesse. Vormontierte Workflows – etwa für Intake, Triage und Follow-up – machen Abläufe reproduzierbar und entlasten das Team.

Saubere Schnittstellen verhindern Doppelerfassungen und Medienbrüche. Ein konsequentes Rechte- und Rollenmanagement schützt Qualität und Daten, ermöglicht gezielte Delegation und stellt sicher, dass jede Person genau die Informationen und Funktionen hat, die sie für ihre Aufgabe braucht. So wird Technologie zum Hebel für Qualität, Effizienz und Sicherheit – statt zum Selbstzweck.
Fazit
Neue Arbeitsmodelle sind Chance und Verpflichtung zugleich: Sie erhöhen Versorgungsqualität, machen Praxen resilienter und attraktiver – verlangen aber Disziplin in Führung, Kommunikation und Umsetzung. Mit kleinen, fokussierten Schritten entsteht Wirkung: zuerst im Team, dann in der Patientenerfahrung und schliesslich in den Ergebnissen.

Am Argomed HausarztFORUM 2025 zeigte Dr. med. Barbara Lüpold, wie Hausärztinnen und Hausärzte pragmatisch profitieren können – und wo typische Stolpersteine liegen.

Dieser Beitrag ist zuerst auf Argomed erschienen

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