Wenn in der Radiologie neue Techniken entwickelt werden, geht es meist um zwei Dinge: Die Aufnahmen sollen möglichst aussagekräftig sein, die Strahlenbelastung für die Patienten möglichst gering. Ein solches Verfahren entwickelte ein Team des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gemeinsam mit niederländischen Kollegen. Die neue Technik bringt Fortschritte bei der Computertomografie (CT) der Lunge: Es ist möglich, die Struktur, die Funktion und die Durchblutung des Organs gleichzeitig in einer Untersuchung darzustellen. Das Verfahren wurde mittlerweile patentiert.
Alle Informationen in einem Schritt
«Die Computertomografie ist das bildgebende Verfahren der Wahl für die Analyse von Lungenerkrankungen», sagt Professor Dr. Hoen-oh Shin, Oberarzt an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Senior Autor der Studie. «Möchte man aber ausser der Struktur der Lunge auch deren Belüftung und Durchblutung in die Analyse einbeziehen, müssen bisher zusätzliche Untersuchungen gemacht werden.» Für die Patienten bedeutet das auch eine zusätzliche Strahlenbelastung. Das neu entwickelte CT-Protokoll des Teams um Professor Shin hingegen liefert alle Informationen in nur einem Schritt. Dafür nutzen die Fachleute die photonenzählende Computertomografie, die eine hohe Bildqualität bei geringer Strahlendosis ermöglicht.
Im Rahmen der Studie setzten die Forscher das neue Verfahren bei insgesamt 197 Personen ein, die aufgrund verschiedener Lungenfunktionsstörungen per CT untersucht werden mussten. «Der Scan besteht aus zwei Abschnitten, einer Aufnahme in Einatmung, zu der auch Kontrastmittel verabreicht wird, und einer Aufnahme in Ausatmung nach einer Verzögerung von 5 Minuten», erklärt Dr. Sarah Scharm, Erstautorin der Studie. «Bei 166 Personen konnten wir alle von der CT abgeleiteten Werte erfassen. Das entspricht einer Erfolgsquote von 85 Prozent.»
Neue diagnostische Möglichkeiten
Durch das CT-Verfahren erhalten die Radiologen Aufnahmen von der Struktur, der Belüftung und der Durchblutung der Lunge. Es ist eine hohe regionale Zuordnung von Funktion und Struktur auf ein bis zwei Millimeter möglich. «Die Qualität der Aufnahmen ist der einer Standard-CT deutlich überlegen», stellt Professor Dr. Shin fest. Mit den neuen Darstellungsoptionen ergeben sich bessere diagnostische Möglichkeiten, zum Beispiel bei der Früherkennung von Erkrankungen. «Im Verlauf einer Lungenerkrankung kommt es häufig zuerst zu Funktionseinschränkungen und erst später zu strukturellen Veränderungen», erläutert der Radiologe. Ein Beispiel ist die Lungenfibrose. Die Erkrankung beginnt mit Störungen der Belüftung. Diese Störungen können die Untersuchenden auf den Bildern bereits erkennen, bevor die strukturellen Veränderungen, also die Vernarbungen, sichtbar werden. «Dadurch können wir die Erkrankung und die Bereiche, in denen sie aktiv ist, schon sehr früh ausmachen. Das sind wertvolle Erkenntnisse für die Behandlung», erklärt Professor Shin.
Hilfreich vor und nach Operationen
Es gibt weitere vielversprechende Anwendungen des neuen CT-Protokolls. Vor Operationen kann es etwa bei Patienten mit chronisch thromboembolischer pulmonaler Hypertonie (CTEPH) hilfreich sein. CTEPH wird durch Blutgerinnsel verursacht, die sich in der Lungenstrombahn festsetzen. «Mithilfe der Aufnahmen lassen sich präoperativ genau die Bereiche identifizieren, die von Durchblutungsstörungen betroffen sind und chirurgisch behandelt werden müssen», erklärt Dr. Scharm.
Auch nach Operationen erweist sich das neue Verfahren als nützlich. «Im Rahmen einer ergänzenden Studie untersuchen wir aktuell, wie gut Thrombektomien für die Lungenfunktion der Patienten verlaufen sind, um den Therapieerfolg zu überprüfen», berichtet Dr. Scharm. Sie betont, dass die Technik bei Krankheiten mit bekannter oder unbekannter Beeinträchtigung der Lungenfunktion allgemein nützlich ist.PS