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imageCT-Untersuchungen liefern wertvolle diagnostische Informationen. Doch wie sicher sind sie bei gebärfähigen Frauen? Symbolbild: Unsplash.

Erhöhen CT-Scans das Risiko für Fehlgeburten und Fehlbildungen?

Eine kanadische Studie bringt CT-Untersuchungen kurz vor einer Schwangerschaft mit einem leicht erhöhten Risiko für Fehlgeburten und angeborene Anomalien in Verbindung. Experten relativieren die Ergebnisse – und bemängeln methodische Fehler.

Sarah Bourdely9.9.20255"
Stehen Computertomographie-(CT)-Untersuchungen bei Frauen vor einer Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten und Fehlbildungen beim Kind im Zusammenhang? Eine gross angelegte, bevölkerungsbasierte Studie aus Kanada legt dies nahe. Doch wie aussagekräftig sind die Ergebnisse?
Erhöhtes Risiko nach CT-Untersuchungen
Das Team wertete Daten von über fünf Millionen Schwangerschaften in Ontario aus. Das Ergebnis: Frauen mit CT-Untersuchungen in den vier Wochen vor der Empfängnis hatten häufiger spontane Schwangerschaftsverluste als Frauen ohne vorherige CT.
  • Ohne CT-Scan: 101 Verluste pro 1000 Schwangerschaften
  • Nach einem CT-Scan: 117 pro 1000
  • Ab drei CT-Scans: 142 pro 1000
Auch die Rate an Fehlbildungen stieg – von 62 pro 1000 Lebendgeburten ohne CT auf 105 pro 1000 nach drei oder mehr CTs. Besonders deutlich war der Effekt, wenn die Untersuchung Bauch, Becken oder Lendenwirbelsäule betraf.
Experten empfehlen Indikationsprüfung
Für PD Dr. Ilias Tsiflikas, Radiologe am Universitätsklinikum Tübingen, ist die Fragestellung «relevant und hochinteressant». Er betont gegenüber dem Science Media Center die Notwendigkeit einer strikten Indikationsprüfung:
«Gerade bei jungen Patientinnen wird eine CT nur dann durchgeführt, wenn keine gleichwertige alternative Bildgebung wie MRT oder Ultraschall zur Verfügung steht oder wenn es sich um lebensbedrohliche Zustände handelt.» Ilias Tsiflikas, Universitätsklinikum Tübingen.
Die Studie überzeuge durch ihre Grösse, habe aber Limitationen: «Eine klare Schwäche liegt darin, dass konkrete Strahlendosiswerte nicht in die Auswertung eingeflossen sind».

Prof. Dr. Daniel Wollschläger von der Universitätsmedizin Mainz räumt ebenfalls ein, dass die Arbeit «einen wichtigen Beitrag für eine viele Frauen betreffende Frage» leiste, aber methodische Einschränkungen habe. So wurde der Grund für die CT-Untersuchungen nicht ausgewertet und keine untersuchungsspezifische Strahlendosis der Eierstöcke berechnet. Ein eindeutiger kausaler Rückschluss des höheren Risikos für Fehlgeburten und angeborene Fehlbildungen der Kinder von Frauen mit vor der Schwangerschaft durchgeführten CT-Untersuchungen sei daher auf Basis dieser Studie nicht möglich.
Handwerkliche Fehler und Scheinkorrelation
Noch kritischer äussert sich Dr. Peter Scholz-Kreisel vom Bundesamt für Strahlenschutz:
«Die Studie betrachtet einen wichtigen Aspekt des Strahlenschutzes: den Schutz der nachfolgenden Generationen. Leider hat die Studie handwerkliche Fehler, welche daran zweifeln lassen, dass die CT-Untersuchungen Ursache der beobachteten Effekte sind.» Peter Scholz-Kreisel, Bundesamt für Strahlenschutz
Es sei untypisch, dass junge Frauen mehrfach CT-Untersuchungen erhielten. Dies könne darauf hindeuten, dass bereits bestehende Erkrankungen sowohl die CT-Indikation als auch Schwangerschaftsverläufe beeinflussten. Die Ergebnisse könnten also durch Scheinkorrelationen erklärt werden, so der Experte.

Dr. Josefin Ammon, Direktorin des Instituts für Medizinische Physik am Klinikum Nürnberg, verweist ihrerseits auf die lange Studienperiode von 1992 bis 2023:
«Die CT-Technik hat sich stark weiterentwickelt. Entsprechend schwierig ist es, Aufnahmen aus den frühen 1990er-Jahren mit denen von heute gleichzusetzen.» Josefin Ammon, Klinikum Nürnberg.
Besonders interessant sei der Vergleich von Rumpf-CTs mit Schädel-CTs. Denn: Auch in der Gruppe mit ausschliesslich Kopf-CT zeigte sich ein erhöhtes Risiko. Ammon hebt hervor, dass in der CT-Gruppe Adipositas, sexuell übertragbare Infektionen, Endometriose, entzündliche Erkrankungen des Beckens, Schilddrüsenerkrankungen und Rauchen häufiger auftraten. Die Strahlenexposition könne somit nicht die einzige Ursache für Fehlgeburten oder Fehlbildungen sein.
Fazit
Die Studie liefert ein Signal, dass CT-Untersuchungen kurz vor einer Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko verbunden sein könnten. Ein klarer kausaler Zusammenhang ist jedoch nicht belegt.

Für die Praxis gilt: Zurückhaltung bei der Indikation, sorgfältige Aufklärung der Patientinnen und Prüfung strahlenfreier Alternativen.

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