Vitamin D bleibt ein Dauerbrenner in der Medizin. Forschende der Universität Bern und des Inselspitals haben nun 31 evidenzbasierte Leitlinien aus Europa und Nordamerika von 2013 bis 2024 systematisch ausgewertet.
Ihr Fazit: Für Gesunde raten die Leitlinien mehrheitlich von einer Vitamin-D Supplementierung ab. Für Risikogruppen, Ältere und Osteoporose-Betroffene überwiegen Empfehlungen für niedrig dosierte, regelmässige Supplementierung, wobei die Zielwerte variieren.
Zentrale Ergebnisse auf einen Blick:
- Kein Screening, keine Supplemente für Gesunde: Keine Leitlinie empfiehlt Testung oder Einnahme für die Allgemeinbevölkerung ohne Risikofaktoren.
- Screening für Risikogruppen: Rund zwei Drittel empfehlen Testen bei Risikopersonen (z. B. Malabsorption, Leber-/Nierenerkrankungen, bestimmte Medikamente, dunkle Haut, geringe Sonnenexposition, Osteoporose). Etwa ein Drittel rät explizit ab bzw. bleibt unklar.
- Supplemente ja – aber gezielt: Etwa die Hälfte empfiehlt Supplemente für Risikogruppen, häufig auch für Ältere oder Patientinnen/Patienten mit Osteoporose.
- Dosierung: Überwiegend 400–1000 IU/Tag (Cholecalciferol); einzelne Leitlinien reichen bis 2000 IU/Tag oder fordern eine individuell angepasste Dosis.
- Zielwerte: Sehr heterogen; häufig genannte Untergrenzen liegen bei 50–75 nmol/l 25-OH-Vitamin D.
- Form der Gabe: Bevorzugt tägliche/regelmässige niedrige Dosen; hochdosierte Bolus-Schemata werden eher kritisch gesehen.
Die Autorinnen und Autoren finden deutliche Unterschiede zwischen den Leitlinien – sowohl beim Ob (Screening/Supplemente) als auch beim Wie (Dosis, Zielwerte). Gründe sind unter anderem: Schwankende Evidenz aus Studien mit unterschiedlichen Populationen, Basisspiegeln und Dosierschemata, Messprobleme bei 25-OH-Vitamin D (Methoden, Referenzmaterial, Einheiten) sowie unklarer Zusatznutzen ausserhalb von Knochen-/Sturzprävention.
Vitamin D: Was gilt in der Schweiz?
- Labortests zur Bestimmung des Vitamin-D-Konzentration nur bei Personen mit einem hohen Risiko für einen Vitamin-D-Mangel.
- Zufuhr von 600-1000 IE Vitamin D ist für die ältere Bevölkerung
- Keine Supplementierung von Vitamin D für gesunde Erwachsene
Was heisst das für die Praxis?
- Kein Routinetest, keine Routinesupplementierung bei gesunden Erwachsenen ohne Risikofaktoren.
- Gezielt handeln bei klaren Risiken (z. B. Osteoporose, Malabsorption, bariatrische Chirurgie, bestimmte Medikamente, höheres Alter): dann meist 400–1000 IU/Tag und Ziel ≥ 50–75 nmol/l.
- Shared Decision-Making: Patientenvorlieben, Komorbiditäten und lokale Laborkapazitäten und Messmethoden berücksichtigen.