Die Brachytherapie ist ein spezielles Verfahren der Radioonkologie, bei der im Rahmen eines minimal-invasiven Eingriffs ein Applikator direkt in oder in unmittelbare Nähe des Tumors eingebracht wird, um anschliessend den Tumor computergesteuert «von innen» zu bestrahlen.
Personalisierierung der Brachytherapie
Die Embrace-I-Studie, die an der Universitätsklinik für Radioonkologie von MedUni Wien und AKH Wien am Comprehensive Cancer Center Vienna initiiert und geleitet wird, personalisiert im Rahmen eines internationalen Konsortiums mit 24 Zentren in Europa, Asien und Nordamerika die Brachytherapie des Zervixkarzinoms. Anstelle der klassischen Brachytherapie beim Zervixkarzinom – dieselbe Dosis für alle, unabhängig von der individuellen Tumorausbreitung – wurden die Grundlagen für ein innovatives personalisiertes Behandlungskonzept definiert.
«Durch diese Analyse konnte gezeigt werden, dass die präzise Verteilung der Dosis im durch Magnetresonanztomografie definierten Tumorvolumen relevant für die Tumorkontrolle ist. Hypothetische Annahmen konnten so bei einer internationalen Gruppe von mehr als 1300 Patientinnen klinisch bestätigt werden», beschreiben die Studienleiter Maximilian Schmid und Christian Kirisits von der Universitätsklinik für Radioonkologie, die Ergebnisse.
Dosierung in Zusammenhang mit Risikofaktoren
Basierend darauf konnte man in der jetzt veröffentlichten Studie aus den Daten der Embrace-I-Studie Risikofaktoren identifizieren und in Zusammenhang mit der Dosis stellen. «Dadurch sehen wir zum ersten Mal, dass für individuelle Parameter wie z. B. unterschiedliche Histologien oder unterschiedliche Tumorgrössen unterschiedliche Dosierungen in der Brachytherapie erforderlich sind», beschreibt Studienleiter Maximilian Schmid.
In einer geplanten Nachfolgestudie wird nun eine risikoadaptierte personalisierte Behandlung untersucht, bei der in einer Niedrigrisiko-Situation eine geringere Dosis appliziert wird und diese somit vermutlich schonender ist, während in einer Hochrisiko-Situation eine höhere Dosis verabreicht wird, um eine sichere langfristige Tumorfreiheit zu erreichen. «In Zukunft können wir den Patientinnen mit den neuen Erkenntnissen eine individuell angepasste zielgerichtete Therapie anbieten», so Schmid.
«Watch & Wait» statt Operation
Die Studie brachte ein weiteres relevantes Ergebnis für Patientinnen zutage. Neben der kompletten Remissionsrate von 98 Prozent und der hohen Tumorkontrollrate im Bereich der Gebärmutter – 92 % nach 5 Jahren – als wesentliche Resultate der Embrace-I-Studie, zeigte sich bei 81 (von 1318) Patientinnen 3 Monate nach Therapieende noch ein Resttumor. Bei drei Viertel (60) dieser 81 Patientinnen ist der Tumor nach weiteren 3 bis 6 Monaten ohne weitere Therapie verschwunden. Nur bei 21 Patientinnen musste ein Tumor nach dieser Zeitspanne noch anderweitig behandelt werden.
«Bisher war es üblich, spätestens nach drei Monaten zu operieren, wenn ein Tumor zurückbleibt. Offensichtlich ist das bei einem Grossteil der Patientinnen nicht erforderlich. Wir können aus der Studie schliessen, dass ein Tumor, der 3 Monate nach Therapieende noch sichtbar ist, auch nur mittels gynäkologischer Untersuchung und Magnetresonanztomografie beobachtet werden kann, wenn er sich bereits verkleinert hat», fassen die Studienleiter zusammen. Auch das langfristige Outcome war identisch mit der Gruppe die bereits zuvor tumorfrei war. Den Patientinnen bliebe damit eine grosse Operation erspart.PS