Herzinfarkt-Patientinnen und Patienten mit normaler Herzfunktion profitieren nicht von einer lebenslangen Betablockertherapie. Das zeigt eine
Metaanalyse im «New England Journal of Medicine» (NEJM), die auf der Jahrestagung der
American Heart Association vorgestellt wurde.
Das Team um Borja Ibanez vom Centro Nacional de Investigaciones Cardiovasculares Carlos III in Madrid analysierte Daten von 17'801 Patientinnen und Patienten. Fast alle waren mit einer perkutanen koronaren Intervention behandelt worden und hatten keine andere Indikation für Betablocker.
Nach einer medianen Beobachtungszeit von 3,6 Jahren blieb der primäre Endpunkt – Tod, Reinfarkt oder Herzinsuffizienz – praktisch identisch:
8,1 Prozent unter Betablockern vs. 8,3 Prozent ohne Behandlung (Hazard Ratio 0,97).
Warum die alten Empfehlungen wanken
Betablocker waren jahrzehntelang Standard nach einem Myokardinfarkt. In der Zeit vor breiter Revaskularisation durch den Einsatz von Stents schützten sie den geschwächten Herzmuskel und reduzierten Arrhythmien.
Heute jedoch überstehen viele Patientinnen und Patienten den Infarkt ohne relevante Einbussen der Pumpfunktion – und sind damit in einer Situation, in der die klassische Evidenz kaum noch greift.
«The relevance is very important for clinical practice because, until now, it was believed that all patients who had survived a myocardial infarction, even if the infarction had not caused much damage to their heart, should take beta-blockers for life. Now it has been shown that this is not 'mandatory'.» Julián Pérez-Villacastín, San Carlos Clinical Hospital, Complutense University of Madrid.
Gegenüber dem spanischen
Science Media Centre sprechen mehrere Kardiologen von der «bislang solidesten Datenlage». Basierend auf den neuen Erkenntnissen sehen sie die Therapie mit Betablockern bei Personen mit normaler Herzfunktion als
nicht mehr obligatorisch an.
Ein Absetzen sollte jedoch nur nach ärztlicher Beurteilung erfolgen und Betablocker blieben wichtig, wenn andere Indikationen bestehen, «etwa bei Bluthochdruck oder Herzrhythmusstörungen», sagt Julián Pérez-Villacastín von der Universität Madrid.
Auswirkugen auf Leitlinien und Praxis
Die neuen Daten dürften die kardiologischen Leitlinien verändern. Für die Versorgung bedeutet das:
- Keine routinemässige Verordnung von Betablockern bei postinfarktiven Patientinnen und Patienten mit erhaltener Pumpfunktion.
- Individualisierte Therapieentscheidungen, um unnötige Nebenwirkungen und Polypharmazie zu vermeiden.
- Präzise Aufklärung von Patientinnen und Patienten, die eine lebenslange Betablockereinnahme bislang für selbstverständlich hielten.
Nach Herzinfarkt und normaler LVEF ist die Betablockertherapie nicht mehr automatisch sinnvoll. Die Evidenz spricht für ein Umdenken – und für eine sorgfältige, indikationsbezogene Entscheidung im Einzelfall.