Home/Schweizer Zeitschrift für Onkologie 03/2022/Interview zur Effort-Studie bei Krebspatienten: Klare Antworten und offene Fragen

Interview zur Effort-Studie bei Krebspatienten: Klare Antworten und offene Fragen

Welche konkreten Probleme bei der Ernährungstherapie von Patienten mit Krebs in der Studie auftraten, ­erläutert Prof. Philipp Schütz, Chefarzt Allgemeine Innere Medizin, Kantonsspital Aarau, und Autor der EFFORT-­Studie in einem Interview. Zudem zeigt er auf, welche wichtigen Fragen weiter erforscht ­werden sollten.

Barbara Elke4.9.2022


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Prof. Dr. Philipp Schütz (Foto: zVg)


ESPEN empfiehlt, Patienten mit Krebs frühzeitig auf ein Risiko für eine Malnutrition zu screenen. Wird das heute schon ausreichend durchgeführt?

Prof. Philipp Schütz: Nach meiner Erfahrung gibt es hier sehr viel Unterschiede von Spital zu Spital und von Onkologe zu Onkologe. Schon länger ist bekannt, dass onkologische Patienten mit einer Mangelernährung deutlich schlechtere Verläufe aufweisen, verglichen mit Patienten, die einen guten Ernährungszustand haben. Schwieriger war die Frage zu beantworten, ob der schlechte Ernährungszustand einfach Spiegel der schweren Erkrankung ist oder ob ein unabhängiger Risikofaktor dafür verantwortlich ist und ob eine Ernährungstherapie die klinischen Verläufe positiv beeinflussen kann. Hier fehlen grosse, randomisierte, kontrollierte Studien, und das erklärt auch die zum Teil vorhandene Skepsis der Berufskollegen. Unsere Sekundäranalyse einer solchen randomisierten Studie liefert hier nun interessante Ergebnisse und zeigt, dass onkologische Patienten mit Mangelernährung im Spital von einer individuellen Ernährungstherapie profitieren (1).
Unsere Sekundäranalyse ... zeigt, dass onkologische Patienten mit Mangelernährung im Spital von einer individuellen Ernährungstherapie profitieren.

Das Ziel der Proteinzufuhr betrug 1,2 bis 1,5 g/ kg Körpergewicht. Mit einer Aufnahme von 57 g Eiweiss/Tag wurde das wohl häufig nicht erreicht. Welches sind die Hauptgründe?

Schütz: In unserer Studie (2) wurde das individuelle Eiweissziel von 1,2 bis 1,5 g/kg Körpergewicht definiert, und das mit einem schrittweisen Anstieg und einer Eskalation zur enteralen/parenteralen Ernährung nach frühestens 5 Tagen, wenn nicht mindestens 75% des Ziels erreicht wurden. Im Durchschnitt erreichten die Patienten in der Inter- ventionsgruppe 0,8 g Protein/kg Körpergewicht und waren somit am unteren Ende dieser Eskalationsschwelle.

Oft ist die Ernährung bei onkologischen Patienten wegen Chemotherapieassoziierter Nebenwirkungen und einer Appetitstörung im Rahmen des Grundleidens besonders schwierig. Trotzdem zeigt die Studie, dass eine moderate Erhöhung von Eiweiss- und Kalorienaufnahme einen wichtigen klinischen Effekt hat.

Die Kontrollgruppe erreichte nur 0,6 g Protein/kg Körpergewicht und lag somit rund 25% tiefer. Oft ist die Ernährung bei onkologischen Patienten wegen Chemotherapieassoziierter Nebenwirkungen und einer Appetitstörung im Rahmen des Grundleidens besonders schwierig. Trotzdem zeigt die Studie, dass eine moderate Erhöhung von Eiweiss- und Kalorienaufnahme einen wichtigen klinischen Effekt hat. Vielleicht ist auch die schrittweise Erhöhung von Eiweiss und Kalorien bei akut kranken Patienten eher besser als eine zu schnelle Erhöhung – hier braucht es aber weitere Studiendaten, um den optimalen Einsatz derErnährung zu verstehen (3).

Welches sind die Möglichkeiten der Ernährungstherapie, um die Patienten zu motivieren, die erwünschte Menge an Protein und Energie aufzunehmen? Welches sind die wichtigsten Anstrengungen?

Schütz: Wichtig ist sicherlich hier der «Team- Approach» – also die enge Zusammenarbeit zwischen Ernährungsberatung, Pflege und Arztdienst sowie dem Patienten und den Angehörigen. Ausserdem muss man dem Patienten vermitteln, wie wichtig die Ernährung ist, und ihn individuell abholen. Doch auch die Spitalküche spielt eine wesentliche Rolle.
Zudem gibt es viele sehr gute orale Ernährungs- drinks, mit denen man mit wenig Volumen dem Patienten viel Protein und Kalorien zuführen kann, ohne dass das Sättigungsgefühl zu schnell die Aufnahme bremst.
Wichtig ist sicherlich hier der «Team-Approach» – also die enge Zusammenarbeit zwischen Ernähungsberatung, Pflege und Arztdienst sowie dem Patienten und den Angehörigen.

Welche Fragen klärt diese Studie nicht? Welche Fragestellungen sollten als Nächstes untersucht werden?
Schütz: Es braucht sicher noch weitere grosse Studien einzelner Tumorentitäten, um den optimalen Nutzen der Ernährungstherapie zu verstehen. Wir sind nun bestrebt, mehr «personalisierte Ernährung» anzubieten und die Ernährung bezüglich Qualität und Quantität dem einzelnen Patienten anzupassen. Zum Beispiel haben wir gesehen, dass die Inflammation dem Benefit der Ernährungstherapie entgegenwirkt und hoch inflammatorische Patienten vielleicht eine andere Form der Ernährung erhalten sollten (4). Die nächsten Jahre werden bestimmt weitere spannende Resultate zum optimalen Einsatz der klinischen Ernährung bei Patienten und insbesondere bei Tumorpatienten liefern.

Das Interview führte Barbara Elke.

Referenzen:
1. Bargetzi L. et al.: Nutritional support during the hospital stay reduces mortality in patients with different types of cancers: secondary ana- lysis of a prospective randomized trial. Ann Oncol. 2021;32(8):p.1025-1033.
2. Schuetz P. et al.: Individualised nutritional support in medical inpatients at nu- tritional risk: a randomised clinical trial. The Lancet. 2019.
3. Bargetzi L. et al. What is optimal nutritional support in acutely ill cancer pati- ents? More may not be better. Ann Oncol. 2021;32(10): p.1305-1306.
4. Bargetzi L. et al.: Inflammation reduces the effect of nutritional the- rapy on clinical outcomes in cancer patients. Ann Oncol. 2021;32(11): p.1451- 1452.

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