Der Wirkstoff Ivermectin wird bei Mensch und Tier seit Jahrzehnten erfolgreich zur Behandlung von Parasiten wie Krätzmilben oder Darmwürmern eingesetzt. 2020 deuteten Labortests im Reagenzglas auf eine schwache Wirksamkeit gegen das SARS-CoV-2-Virus hin. Allerdings entsprachen die in diesen Experimenten verwendeten Mengen einer sehr hohen, für Menschen gefährlichen Dosis. Die meisten Forscher verwarfen Ivermectin daher schnell als Option gegen COVID-19.
Dann tauchten in der Literatur jedoch kleine klinische Studien auf, deren Ergebnisse einen großen Effekt auf die Sterblichkeit von COVID-19-Patienten nahelegten. Dies führte insbesondere in einigen Entwicklungsländern und in den USA zu einem regelrechten Hype um Ivermectin als vermeintliches Allheilmittel gegen COVID-19. Allerdings stellte sich wenig später heraus, dass mehrere dieser Studien gefälscht waren; andere wiesen schwerwiegende Fehler auf oder waren mangelhaft durchgeführt worden.
Angesichts gefälschter oder zumindest sehr fragwürdiger Studien zu Ivermectin haben die Autoren für diese
aktualisierte Fassung des Reviews sämtliche in Frage kommende Studien speziell im Hinblick auf die Integrität der Forschung bewertet. Die Autoren schlossen ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) ein, die prospektiv (also vor Beginn der Studie) gemäß den Richtlinien der WHO für die Registrierung klinischer Studien in einem Studienregister registriert wurden. Zudem prüften sie genau, ob die Studien über eine angemessene Freigabe einer Ethik-Kommission verfügten und ob die Ergebnisse plausibel waren. Im Zweifelsfall wurden die Studien so lange zurückgestellt, bis die Autoren die Integrität sicherstellen konnten.
Am Ende schlossen die Autoren des Reviews 11 Studien mit 3409 Teilnehmern ein, die Ivermectin zusätzlich zur Standardbehandlung mit der reinen Standardbehandlung (mit oder ohne Plazebo) verglichen.
In fünf der eingeschlossenen Studien wurden Teilnehmende mit mittelschwerem COVID-19 stationär behandelt, sechs untersuchen leichte COVID-19-Fälle, die ambulant behandelt wurden. Acht der Studien waren doppelblind und placebokontrolliert, die übrigen weniger streng kontrolliert. Es fanden sich keine Studien, die eine vorbeugende Wirkung von Ivermectin untersuchten oder die Ivermectin mit einer Behandlung mit nachgewiesener Wirksamkeit verglichen.
Für rund die Hälfte der Studienergebnisse schätzten die Autoren das Risiko einer Verzerrung (Risk of Bias) als gering ein. Insgesamt ergaben die eingeschlossenen Ergebnisse keine Evidenzgrundlage für den Einsatz von Ivermectin zur Behandlung oder Vorbeugung einer COVID-19.
Die beiden Haupt-Autorinnen der Studie, Maria Popp und Stephanie Weibel von der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg kommentieren:
«Insgesamt sind die Aussichten für einen erfolgreichen Einsatz von Ivermectin zur Behandlung oder Prävention von COVID-19 schlecht. Die Laborergebnisse waren zwar vielversprechend, aber die Ergebnisse aus dem wirklichen Leben zeigen keine oder bestenfalls sehr geringe Auswirkungen auf die Sterblichkeitsrate, die Krankheitsschwere oder die Dauer der Infektion.»
Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nach
GRADE für dieses Ergebnis hat sich im aktualisierten Review gegenüber der letzten Version verbessert, ist für viele Fragen jedoch immer noch niedrig. Die Autoren identifizierten 31 laufende Studien deren Ergebnisse in künftige Versionen des Reviews eingehen werden, sobald sie vorliegen.
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