Neuroblastome zählen zu den häufigsten und aggressivsten soliden Tumoren bei Kindern – meist betroffen sind Kinder unter fünf Jahren. Besonders bei Hochrisiko-Neuroblastomen ist die Prognose trotz intensiver Therapie schlecht: Nur etwa jedes zweite Kind kann langfristig geheilt werden.
Ein Forschungsteam um
Raphael Morscher von der Universität Zürich (UZH) und dem Universitäts-Kinderspital Zürich (Kispi) hat nun eine neuartige Kombinationstherapie entwickelt. In ihrer
Studie kombinierten sie das in der Schweiz kürzlich zugelassene Medikament
Difluoromethylornithin (DFMO) mit einer gezielten Diät, die die Aminosäuren
Arginin und Prolin ausschliesst.
Medikamentenwirkung verdoppelt
DFMO hemmt die Bildung sogenannter Polyamine, die für das Wachstum unreifer Tumorzellen entscheidend sind. In präklinischen Versuchen zeigte sich, dass sich die Wirksamkeit des Medikaments mehr als verdoppeln lässt, wenn gleichzeitig eine arginin- und prolinfreie Diät eingehalten wird.
Die Diät verhindere die Bildung von Polyamin-Vorstufen und verstärke so den Effekt des Medikaments erheblich, wie die Universität Zürich mitteilt.
Ernährung in der Krebsmedizin
Tumorzellen weisen besondere Stoffwechselmerkmale auf, die sie von gesunden Zellen unterscheiden. Diese Unterschiede können gezielt genutzt werden, um durch angepasste Ernährung oder Medikamente, die auf den Stoffwechsel wirken, den Krankheitsverlauf zu beeinflussen.
Das Besondere: Der kombinierte Ansatz zielt nicht darauf ab, Tumorzellen zu zerstören, sondern sie umzuprogrammieren: Die Krebszellen verlieren ihre Fähigkeit zur unkontrollierten Teilung und beginnen, sich zu reiferen Nervenzellen umzuwandeln – ein Entwicklungsprozess, der bei Neuroblastomen normalerweise blockiert ist.
«Die Behandlung führt somit nicht nur zu einem verlangsamten Tumorwachstum, sondern auch zu einer funktionellen Veränderung der Krebszellen», erklärt Morscher den neuen therapeutischen Ansatz. In Tiermodellen führte dies zu deutlich langsamerem Tumorwachstum oder sogar Rückbildungen, bei gleichzeitig guter Verträglichkeit.
Enzym soll Diät ersetzen
Derzeit bereitet das Team gemeinsam mit internationalen Partnern am Kinderspital von Philadelphia und der Universität Princeton die klinische Anwendung vor. «Um den innovativen Ansatz in klinische Studien zu überführen, setzen wir ein Enzym ein, das die Diät bei Kindern ersetzt. Ziel ist es, betroffenen Kindern künftig eine neue und schonendere Behandlungsoption zu ermöglichen», so Morscher.
Denn: Anders als bei Mäusen wäre eine so gezielte Einschränkung von Arginin und Prolin bei Kindern nur schwer durchführbar. Beide Aminosäuren sind an zahlreichen lebenswichtigen Prozessen beteiligt – etwa an der Wundheilung, am Immunsystem und am Wachstum. Hinzu kommt, dass Arginin und Prolin in nahezu allen natürlichen Proteinquellen enthalten sind. Eine wirksame Umsetzung wäre daher nur mit synthetischen Spezialnahrungen unter stationären Bedingungen möglich.