Bei der Behandlung des akuten Koronarsyndrom ohne ST-Hebung – der häufigsten Form des Herzinfarkts – orientieren sich Ärztinnen und Ärzte bislang am GRACE-Score. Damit werden das Risiko sowie der optimale Zeitpunkt für eine Herzkatheter-Behandlung eingeschätzt und bestimmt.
Doch der Algorithmus stösst an Grenzen: Er kann die klinische Komplexität vieler Patientinnen und Patienten nicht vollständig abbilden.
Mit dem neuen GRACE 3.0-Score stellen Zürcher Forschende ein validiertes und KI-gestütztes Instrument vor, das Ärztinnen und Ärzte in der klinischen Praxis unterstützen soll. Ziel ist es, Herzinfarkt-Patientinnen und Patienten künftig individueller und wirksamer zu versorgen.
Wer profitiert am meisten?
Das Forschungsteam nutzte klinische Daten aus der VERDICT-Studie um ihr Modell darauf zu trainieren, Patientengruppen zu erkennen, die am meisten von einer frühen Herzkatheterbehandlung – etwa dem Einsetzen eines Stents – profitieren.
«Die Ergebnisse waren bemerkenswert», sagt Erstautor Florian A. Wenzl vom Zentrum für Molekulare Kardiologie der UZH. «Während einige Patient:innen deutlich von einer frühzeitigen Intervention profitierten, zeigte sich bei anderen nur ein geringer oder gar kein Nutzen».
Mit anderen Worten: Die bisherigen Behandlungsstrategien adressieren teilweise die falschen Patientinnen und Patienten. Eine umfassende Neustratifizierung sei daher angezeigt – mit dem Ziel, den individuellen Nutzen invasiver Eingriffe besser abzuschätzen.
Ein Werkzeug für personalisierte Therapie
Letztautor Thomas F. Lüscher, der am Zentrum für Molekulare Kardiologie der UZH und an den Royal Brompton and Harefield hospitals in London forscht, erklärt: «GRACE 3.0 ist das bislang fortschrittlichste und zugleich praktischste Instrument, um Patient:innen mit der häufigsten Form des Herzinfarkts zu behandeln.»
Der neue Score ermittele nicht nur das Risiko genauer, sondern diene auch als Entscheidungshilfe für eine personalisierte Therapie. «Das könnte in Zukunft klinische Leitlinien prägen und dazu beitragen, Leben zu retten», so Lüscher.