Neue S3-Leitlinie: Fieber ist meist keine Gefahr – sondern sinnvoll
Erstmals liegt ein umfassend evidenzbasiertes Regelwerk zum Fiebermanagement bei Kindern im ambulanten Setting vor. Die neue S3-Leitlinie betont: Nicht das Fieber an sich, sondern der Allgemeinzustand ist entscheidend.
Sarah Bourdely5.8.20253"
Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) wurde eine neue S3-Leitlinie veröffentlicht, die den Umgang mit Fieber bei Kindern und Jugendlichen im ambulanten Bereich neu definiert. Die Empfehlungen richten sich nicht nur an medizinisches Fachpersonal, sondern auch an Eltern und Betreuungspersonen – Letztere werden mit einer kompakten Elternleitlinie gezielt angesprochen.
Fieber: Abwehrreaktion statt Notfall
Fieber sollte nicht reflexartig gesenkt werden. Vielmehr sollte man individuell und situationsbezogen handeln. Entsprechend wird eine medikamentöse Therapie mit Paracetamol oder Ibuprofen nur dann empfohlen, wenn das Kind deutlich beeinträchtigt ist – unabhängig von der gemessenen Temperatur. Wichtig: Fiebersenkende Medikamente verhindern keine Fieberkrämpfe und sollen nicht prophylaktisch gegeben werden. Eine Ausnahme bleibt laut STIKO die Meningokokken-B-Impfung.
«Fieber wird nicht als vorrangig behandlungsbedürftiges Symptom betrachtet, sondern als physiologische und in der Regel hilfreiche Abwehrreaktion des Körpers», betont Prof. Dr. Tim Niehues, Leitlinienbeauftragter der DGKJ in einer Mitteilung. Prof. Dr. David Martin, Koordinator der Leitlinie, ergänzt: «Wir möchten Eltern mit dieser Leitlinie zum einen ermutigen, dem natürlichen Heilungsprozess zu vertrauen und gleichzeitig sehr gut informiert und vorbereitet zu sein, ab wann ärztlicher Rat wichtig ist.»
Warnzeichen und Messmethoden im Fokus
Zentral für die Einschätzung eines fiebernden Kindes sind der Allgemeinzustand und definierte Warnzeichen wie schrilles Schreien, Hautblutungen oder Austrocknung.
Die Leitlinie geht auch auf Hilfsmittel wie das Ampelsystem oder das «Pädiatrische Dreieck» ein, die die ärztliche Risikoeinschätzung für eine schwere Erkrankung bei fiebernden Kindern und Jugendlichen unterstützen sollen. Beide Systeme seien jedoch noch nicht darauf validiert, ab wann sich ein krankes Kind in einem bedrohlichen Zustand mit der Gefahr bleibender Schäden befindet.
Pädiatrisches Dreieck adaptiert nach Dieckmann et al. (2010). Quelle: S3-Leitlinie Fiebermanagement.
Die Leitlinie führt zudem altersabhängige Empfehlungen zur Temperaturmessung auf: rektal bei Säuglingen, per Trommelfellthermometer (tympanal) bei Kleinkindern ab einem Jahr und Jugendlichen. Von Stirn- oder axillären Messungen wird abgeraten. Diese gelten als zu ungenau. Auch die orale Messung sei fehleranfällig.
Ein weiterer Kernpunkt: Fieber allein rechtfertigt keine Antibiotikagabe. Die Mehrheit der fieberhaften Infekte sei viral bedingt. «Unnötige Antibiotikagaben können Nebenwirkungen, Resistenzbildungen und Schäden des Mikrobioms verursachen» mahnt Prof. Niehues.
Nicht-medikamentöse Begleitung
Auch der häusliche Umgang mit Fieber wird konkret adressiert. Die kompakte Elternleitlinie geht gezielt auf typische Fragen und Unsicherheiten im Alltag eingeht.
Ruhe, Nähe, ausreichende Flüssigkeit und körperwarme Wadenwickel (nur bei warmen Extremitäten) gelten als sinnvoll. Wichtig sei, dass Kinder nicht unnötig entkleidet oder aktiv gekühlt werden. Vor einer Rückkehr in Gemeinschaftseinrichtungen sollten Kinder mindestens einen Tag fieberfrei und belastbar sein.
Ausschnitt aus der Elternleitlinie zum Umgang mit Fieber bei Kindern und Jugendlichen. Quelle: AWMF.
Die Leitlinie räumt zudem mit veralteten Empfehlungen auf und richtet sich gezielt an Eltern, Grosseltern und Betreuungspersonen, denen sie verständliche, alltagstaugliche Antworten auf die häufigsten Fragen im Umgang mit Fieber gibt.