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imageWährend der COVID-19-Pandemie gab es eine Übersterblichkeit bei Krebserkrankten. Symboldbild: Unsplash.

Viruserkrankungen können schlafende Brustkrebszellen aufwecken

Eine Nature-Studie zeigt einen kausalen Zusammenhang zwischen Infektionen und der Reaktivierung ruhender Tumorzellen. Virale Atemwegsinfektionen wie Influenza oder SARS-CoV-2 könnten demnach Brustkrebsmetastasen in der Lunge begünstigen – zumindest bei Mäusen.

Sarah Bourdely5.8.20254"
Influenza-A- und SARS-CoV-2-Infektionen könnten «schlafende» Brustkrebszellen in der Lunge reaktivieren. Das zeigen Forschende aus Colorado in einer in «Nature» veröffentlichten Mausstudie.
Virusinfektionen lösen Lungenmetastasen aus
Die Tiere waren genetisch so verändert, dass sie HER2+-Brustkrebs entwickelten, dessen Zellen sich in die Lunge ausbreiteten und dort bis zu einem Jahr inaktiv blieben. Nach einer Virusinfektion stieg die Metastasenbelastung innerhalb weniger Tage um das 100- bis 1000-Fache – vermittelt durch das Entzündungshormon Interleukin 6 (IL-6) und eine veränderte Aktivität der T-Helferzellen. Diese schufen ein immununterdrückendes Milieu indem sie Killerzellen hemmten, die ansonsten die Tumorzellen eliminiert hätten.

«Die vorgestellten Erkenntnisse sind innovativ und von potenziell grosser klinischer Relevanz», kommentiert Prof. Dr. Andreas Bergthaler von der Medizinischen Universität Wien die Studie gegenüber dem Science Media Center. «Obwohl diese Möglichkeit schon davor diskutiert wurde, so zeigen die Autoren der aktuellen Studie einen kausalen Zusammenhang durch mehrere Ansätze.»

Auch Prof. Dr. Carsten Watzl vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung hebt hervor: «Neu und interessant ist hier, dass akute Atemwegsinfektionen durch die dabei herrschende Entzündungsreaktion dazu führen können, dass sich Metastasen bilden können.» Er betont aber, dass die Studie nicht zeige, ob die Mäuse letztlich früher oder häufiger an Metastasen sterben. Der Effekt sei zudem nach Influenza-Infektion deutlich stärker gewesen als nach SARS-CoV-2, was auch am Tiermodell liegen könne.
Epidemiologische Hinweise beim Menschen
Um die Relevanz der tierexperimentellen Daten für den Menschen zu prüfen, analysierten die Forschenden auch Gesundheitsdaten aus der UK-Biobank und einem US-amerikanischen Brustkrebsregister. Patientinnen mit dokumentierter SARS-CoV-2-Infektion hatten demnach ein höheres Risiko für Lungenmetastasen. Nach Adjustierung für Begleiterkrankungen war der Zusammenhang aber nicht mehr signifikant. Daraus interpretieren die Autorinnen und Autoren der Studie, dass eine COVID-19-Erkrankung das Risiko durch Metastasenbelastung von Krebspatientinnen und -patienten erhöhte und die Mechanismen der Mausstudien dabei eine Rolle spielen könnten.

«Es gibt einige Anhaltspunkte, dass die vorliegenden Ergebnisse relevant für den Menschen sein könnten», so Bergthaler. IL-6-Signalwege seien zwischen Maus und Mensch hochkonserviert. Gleichzeitig bleibe offen, «wie stichhaltig und robust diese Daten im Hinblick auf die ausgewählten Zeiträume, unterschiedliche potenziell beeinflussende Faktoren, Effektgrösse und weitere Faktoren tatsächlich sind.»

Kritischer äussert sich Prof. Dr. André Karch, Epidemiologe am Universitätsklinikum Münster. Er verweist auf mögliche Verzerrungen und die Gefahr umgekehrter Kausalität: Infektionen könnten eher eine Folge einer unbemerkten Tumoraktivität sein als deren Ursache. «Aus meiner Sicht erlauben die in der Publikation berichteten epidemiologischen Analysen – aus den genannten Gründen – damit die gezogenen Schlussfolgerungen nicht.»

Die präklinischen Daten sind eindrucksvoll – doch wie relevant sie für den klinischen Alltag sind, bleibt offen. Prof. Hellmut Augustin vom Deutschen Krebsforschungszentrum resümiert: «Viele Bausteine der aktuellen Arbeit sind nicht wirklich neu und die meisten neuen Befunde sind nicht überraschend. Das schmälert aber in keiner Weise den Wert der Arbeit, da das Ergebnis meines Wissens so definitiv bisher noch nicht gezeigt wurde.» Dennoch mahnt er zur Zurückhaltung bei der Interpretation der Effekte im Menschen: «Es besteht der Eindruck, dass die Autoren versucht hätten, die epidemiologischen Effekte besonders gross darzustellen, obwohl nicht sicher ist, ob alle Störfaktoren adäquat berücksichtigt wurden.»

Zur Originalpublikation:
  • Chia, S.B., Johnson, B.J., Hu, J. et al.: «Respiratory viral infections awaken metastatic breast cancer cells in lungs», in: «Nature», Juli 2025.
  • DOI: 10.1038/s41586-025-09332-0

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