Home/Therapieoptionen bei M. Parkinson: THS und Hochfrequenzultraschall

Therapieoptionen bei M. Parkinson: THS und Hochfrequenzultraschall

Für die Parkinson-Erkrankung stehen verschiedene orale Medikamente gegen die Symptome zur Verfügung, die im längeren Verlauf mitunter an Grenzen stoßen. In bestimmten Situationen stellt heute daher die Tiefe Hirnstimulation (THS) eine zusätzliche Möglichkeit dar, die bei vielen Betroffenen die Symptome weiter verbessern und Lebensqualität zurückgeben kann.

DGN24.11.20232"
Die Parkinson-Erkrankung kann unbehandelt schnell zu einer stark verminderten Lebensqualität führen. Die etablierte medikamentöse Therapie (BMT «best medical therapy») hat langfristig jedoch oft ihre Grenzen wegen möglicher Nebenwirkungen und Wirkungsverlust. In bestimmten Situationen (fortgeschrittene Stadien, aber auch bei frühen motorischen Komplikationen) ist daher die tiefe Hirnstimulation (THS) eine zusätzliche Option, die seit Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Sie kann in Kombination mit dem BMT die Symptome deutlich lindern und die Lebensqualität über viele Jahre stabil halten. Dabei werden Elektroden in einem chirurgischen Eingriff dauerhaft implantiert. Anschliessend erfolgt die elektrische Stimulation im Rahmen eines vorab festgelegten Protokolls.

Ob der Einsatz der THS einen signifikanten Mehrwert gegenüber der alleinigen BMT darstellen kann, muss für jeden Einzelfall in einem spezialisierten Zentrum unter Einbeziehung eines multidisziplinären Teams aus Neurochirurgie und Neurologie sowie weiterer Teammitglieder eingeschätzt werden.

THS: Levodopatest und genetische Marker prognostizieren Ansprechen
Für die Wirkung der elektrischen Impulse ist die korrekte Lage der Elektroden in bestimmten Hirnregionen, wie z. B. im Subthalamus (bzw. Nucleus subthalamicus /STN, unterhalb des Thalamus), entscheidend. Das Verfahren der THS wird seit Jahren weiterentwickelt, um die Elektrodenlokalisation individuell zu optimieren und die Effektstärke auf die verschiedenen Symptome (z. B. Tremor oder Gangblockade «Freezing of Gait» /FOG) und eventuelle Nebenwirkungen möglichst genau vorherzusagen. So erfolgte in einer Studie (1) eine videodokumentierte Ganganalyse mit Levodopa-Test, um den erwartbaren FOG-Effekt der THS präoperativ einzuschätzen. Dabei zeigte sich der «Wendetest» (Verbesserung Körperdrehung um die eigene Achse nach Levodopa-Gabe) als besonders prädiktiv. Der FOG-Vorhersagetest soll nun in einer prospektiven Studie evaluiert werden.

Neben klinischen Prädiktoren wurde auch untersucht, ob genetische Variablen günstige oder ungünstige Ergebnisse der THS vorhersagen können (2). Es stellte sich heraus, dass mehrere genetische Marker (Gen-Polymorphismen), die zuvor in einer genomweiten Assoziationsstudie identifiziert wurden, motorische Ergebnisse oder Lebensqualitätsverbesserungen vorhersagten.

Bezüglich Nebenwirkungen gab es Beobachtungen in THS-Studien bei fortgeschrittener Parkinson-Krankheit, dass sich unter einer THS die Sprachverständlichkeit und Kommunikationsfähigkeit im ersten Jahr verschlechtern kann. Eine Sprachanalyse (mittels verblindeter Beurteilung) im Rahmen der prospektiven EARLYSTIM-Studie (3) untersuchte diese Fragestellung bei Parkinson-Erkrankten mit frühen motorischen Komplikationen. Es zeigte sich, dass in diesem frühen Krankheitsstadium die THS plus BMT (versus alleinigem BMT) nicht zu einer konsistenten Verschlechterung der Sprachverständlichkeit und der selbst berichteten Kommunikation führte.

Nicht invasiv: MRT-gesteuerter, fokussierter Ultraschall (MRgFUS)
Ein relativ neues Verfahren zur Behandlung der Parkinsonerkrankung sowie bei essenziellem Tremor ist der MRT-gesteuerte, fokussierte Ultraschall (MRgFUS), der von aussen durch die geschlossene Schädeldecke zur Anwendung kommt. Die gebündelten hochintensiven Ultraschallwellen addieren sich in dem zuvor berechneten bzw. ausgetesteten Punkt. Je nach Subtyp der Erkrankung werden unterschiedliche Kerngebiete läsioniert, beim Tremor-dominanten Subtyp ist dies z. B. die untere Thalamusgrenze. Durch eine Läsionierung in diesem Areal wird das schwingende Tremornetzwerk unterbrochen, was zu einer ca. 80%igen Abnahme des Zitterns einer Körperseite führt. Insgesamt dauert die Prozedur ca. 3-4 Stunden. Eine Verbesserung des Zitterns tritt meistens sofort ein und nach wenigen Tagen können die Behandelten die Klinik wieder verlassen. Nach ca. drei Monaten erfolgt eine erste Kontrolle. Für die Behandlung der zweiten Körperseite liegt die CE-Zertifizierung bereits vor; Nutzen und Risiko werden derzeitig in grösseren Studien untersucht.

Neben der Anwendung beim Tremor-dominanten M. Parkinson wird die MRgFUS-Behandlung auch in der Behandlung des M. Parkinson mit Wirkfluktuationen bzw. bei deutlich einseitig betontem Parkinson untersucht. In einem Nachbeobachtungszeitraum von drei Jahren zeigte sich ein guter, anhaltender Effekt der einseitigen Subthalamotomie in dieser Indikation. Anhaltend beeinträchtigende Nebenwirkungen traten nicht auf (4).

MRgFUS ist bei besonders schwerem Tremor geeignet oder wenn das BMT nicht ausreicht oder wenn eine Operation für die Anlage einer THS nicht möglich ist oder abgelehnt wird. Vorteile gegenüber der THS sind fehlende Operationsrisiken wie eine Blutung oder eine Infektion und dass kein permanentes elektronisches System implantiert wird (und somit auch keine regelmässigen Batteriewechsel notwendig oder Fehlfunktionen möglich sind). Mögliche Nebenwirkungen des MRgFUS sind während der Prozedur kurzzeitige Übelkeit oder mögliche Missempfindungen, Hitze- oder Druckgefühl. Ausserdem können vorübergehend oder selten auch dauerhaft Taubheit oder Kribbeln in Körperregionen, Muskelschwäche, Gleichgewichts- oder Gangstörungen auftreten. Diese Nebenwirkungen waren in Studien über die Monate rückläufig.

Nutzen beider Verfahren muss individuell abgewogen werden
Ein Vorteil der THS gegenüber dem MRgFUS ist, dass die Stimulation sich an individuelle Veränderungen anpassen lässt. Dies ist insbesondere bei jüngeren Patienten mit einer potenziell relevanten Krankheitsprogression ein grosser Vorteil. Weiterhin erfolgt bei der THS standardmässig eine beidseitige Implantation von Elektroden, so dass Symptome wie ein Kopf-, Stimm- oder Rumpftremor ebenso positiv beeinflusst werden können und im Falle des Morbus Parkinson eine deutlichere Reduktion der dopaminergen Medikation möglich ist. Die Erstattung der Kosten erfolgt in beiden Fällen über die Krankenkasse.

«Studien werden künftig viele weitere Fragen klären, beispielsweise zur optimalen Patientenauswahl für die beiden Verfahren», so Dr. Steffen Paschen, Kiel, Oberarzt und Leiter der Arbeitsgruppe Tiefe Hirnstimulation und MRT-gesteuerter, fokussierter Ultraschall an einem der wenigen deutschen Zentren, die bislang MRgFUS anbieten. «Auch wird beispielsweise der Einsatz von KI künftig die THS weiter verbessern und eine individuell bedarfsangepasste Stimulation ermöglichen.»

«Insbesondere die interdisziplinäre Zusammenarbeit aus Neurochirurgie und Neurologie ist bei der Beratung der Patienten und für die Auswahl des bestmöglichen Verfahrens entscheidend, um eine optimale Behandlung zu erreichen», ergänzt Frau Prof. Ann-Kristin Helmers, welche von neurochirurgischer Seite in Kiel für die Verfahren verantwortlich ist.PS

Literatur
  1. Gavriliuc O, Paschen S et al.: Prediction of the effect of deep brain stimulation on gait freezing of Parkinson's disease. Parkinsonism Relat Disord. 2021 Jun;87:82-86.
  2. Weiss D, Landoulsi Z et al.: Genetic stratification of motor and QoL outcomes in Parkinson's disease in the EARLYSTIM study. Parkinsonism Relat Disord. 2022 Oct;103:169-174. ID: 36117018.
  3. Pinto S, Nebel Aet al.; EARLYSTIM Study Group. Results of a Randomized Clinical Trial of Speech After Early Neurostimulation in Parkinson's Disease. Mov Disord. 2023 Feb;38(2):212-222.
  4. Martínez-Fernández R, Natera-Villalba E et al.: Prospective Long-term Follow-up of Focused Ultrasound Unilateral Subthalamotomy for Parkinson Disease. Neurology. 2023 Mar 28;100(13):e1395-e1405.

Rosenbergstrasse 115
8212 Neuhausen am Rheinfall
Telefon: +41 52 675 51 74
info@docinside.ch
www.docinside.ch

Handelsregistereintrag
Firmenname: DOCINSIDE AG
UID: CHE-412.607.286

Über uns
Bankverbindung

Schaffhauser Kantonalbank
8200 Schaffhausen
IBAN: CH76 0078 2008 2797 0810 2

Mehrwertsteuer-Nummer
CHE-412.607.286

Kontakte

Dr. med. Adrian Müller
Betrieb und Inhalte
adrian.mueller@docinside.ch

Dr. med. Richard Altorfer
Inhalte und Redaktion
richard.altorfer@docinside.ch

Dr. med. Christine Mücke
Inhalte und Redaktion
christine.muecke@docinside.ch

Copyright © 2021 Alle Rechte vorbehalten.
Powered by Deep Impact / Spectra