Nützt's nichts, schadet's nichts? In Bezug auf die Krebsvorsorge ein gefährliches Motto. Denn: Unnötige Krebs-Screenings gefährden nicht nur die Versorgungsqualität – sie können auch Angst, Überbehandlung und Komplikationen verursachen.
Bis zu 16 Jahre: Low-Value-Screenings
Eine aktuelle
Untersuchung der University of Florida zeigt: Der Rückzug sogenannter «Low-Value»-Screenings dauert teils über ein Jahrzehnt.
Konkret wurde der Zeitverlauf für sechs von der United States Preventive Services Task Force (USPSTF) als «Grade D» eingestufte Früherkennungen untersucht – das heisst: Sie bringen gesunden Erwachsenen ohne Symptome keinen Nutzen und können sogar schaden.
So lange dauerte es ab Änderung der jeweiligen Leitlinien:
- Zervixkarzinom-Screening bei <21-Jährigen: Reduktion um 50 % in nur einem Jahr
- Zervixkarzinom-Screening bei >65-Jährigen: 16 Jahre bis zur Halbierung der Anwendungen
- PSA-Screening bei Männern ≥70: Auch zwölf Jahre nach der Empfehlung kein signifikanter Rückgang
- Für das Screening auf Ovarial-, Schilddrüsen-, Hoden- und Pankreaskarzinome fehlten belastbare Daten
Fehlanreize, Patientenerwartungen und fehlende Datenerhebung
Doch was sind die Gründe für diese schleppende Umsetzung der geänderten Leitlinien? Ärztliche Routinen, Patientenerwartungen und ein Mangel an effektiven Überwachungssystemen, so die Forschenden.
«Es ist schwer, jemanden davon abzubringen, etwas zu unterlassen, das er oder sie seit Jahren macht», sagt Studienleiterin Jennifer LeLaurin gegenüber
Medical Update Online. Hinzu kommt: Viele Menschen verbinden frühes Screening mit Sicherheit – selbst dann, wenn aktuelle Daten ein anderes Bild zeichnen.
Auch in der Schweiz ist die Überprüfung von Screeningpraktiken ein zentrales Thema der evidenzbasierten Medizin. Die Ergebnisse aus den USA machen deutlich: Der Rückzug von medizinisch überholten Massnahmen erfordert nicht nur neue Leitlinien, sondern auch strukturierte Monitoring- und Kommunikationsstrategien im Praxisalltag.