«Die Frage ist an sich so banal oder trivial, dass bisher kaum jemand darüber nachgedacht hat», sagt Martina Sester zu Beginn des Gesprächs über die Studie ihrer Doktorandin Laura Ziegler.
Bei der Untersuchung der Wirksamkeit von Impfungen und Impfstoffen ergeben sich einige Fragen: Wie bewegt sich der Wirkstoff durch den Körper? Gelangt er direkt oder indirekt zu den richtigen Zielen und schädigt er unterwegs vielleicht auch normale Körperzellen? Löst dieser oder jener Wirkstoff eine bessere oder länger anhaltende Immunantwort aus? Die einfache Frage, ob der Arzt bei Mehrfachimpfungen besser zweimal in denselben Arm piekst oder einmal links, einmal rechts, gehörte bisher nicht in diese Kategorie.
Studie: zweifache Coronaimpfung mit Biontech-Impfstoff
Das könnte sich nun ändern. «Denn in unserer Studie konnten wir Hinweise finden, dass die ipsilaterale Impfung durchaus besseren Schutz generieren kann als die contralaterale Impfung», erklärt Laura Ziegler. Als Gegenstand der Untersuchung bot sich hier die Erst- und Zweitimpfung gegen Corona sehr gut an. Insgesamt konnten Laura Ziegler und Martina Sester auf die Daten von 303 Personen zurückgreifen, die zu Beginn der Corona-Impfkampagne ihre Erst- und Zweitimpfungen mit dem Biontech-Impfstoff erhalten haben.
Zahl der Killerzellen bei ipsilateraler Impfung höher
Am auffälligsten war die Beobachtung, dass die Zahl der CD8-T-Zellen zwei Wochen nach der Impfung bei den einseitig Geimpften deutlich höher war bei denjenigen, die ihre Impfung in beide Arme bekommen haben. «Bei den ipsilateral geimpften Probanden konnten wir die Killerzellen in 67 Prozent der Fälle nachweisen. Bei den contralateral geimpften Personen lag dieser Anteil nur bei 43 Prozent», nennt Laura Ziegler die Zahlen. Das bedeutet, dass das Immunsystem im Falle einer Coronainfektion mit hoher Wahrscheinlichkeit besser auf das Virus reagieren kann, da mehr Killerzellen dem Virus ans Leder bzw. an die Hülle gehen.
Zahl der Antikörper gleich
«Die Zahl der Antikörper hingegen war nicht höher», ergänzt Martina Sester. Anders als die Killerzellen zerstören diese die Viren nicht unmittelbar wie die Killerzellen, sondern sie docken an ihnen an und verhindern so, dass sie weiter Schaden anrichten oder sorgen dafür, dass Fresszellen die Viren besser finden können. «Interessant ist jedoch, dass die Antikörper bei den ipsilateral Geimpften das Spike-Protein des Virus stärker abgefangen haben», so die Immunologin weiter. Das heisst, die Antikörper machen bei den einseitig Geimpften denselben Job effektiver als ihre Kollegen im Körper derjenigen, die die Impfung in beide Arme bekommen haben.
Studien, die den Aspekt untersuchen, ob es einen Unterschied macht, wo die Erst- und die Auffrischungsimpfungen appliziert werden, gibt es bisher kaum. «So dramatisch sie auch verlaufen ist: Die Corona-Pandemie hat uns hier sehr geholfen», erklärt Martina Sester die Umstände, unter denen Laura Ziegler ihre Studie begonnen hat.
Es waren zur gleichen Zeit sehr viele Freiwillige zu finden, die überdies auch noch nie in Kontakt mit dem Virus waren. Hätte ihr Immunsystem schon einmal Kontakt mit dem Erreger gehabt, könnte dies nämlich Einfluss auf die Ergebnisse der Studie haben. So hatten alle 303 Immunsysteme identische Startbedingungen. Unterm Strich bot die Pandemie eine einmalige Gelegenheit für Wissenschaftlerinnen wie Doktorandin Laura Ziegler und ihre Professorin Martina Sester.
Die weiteren Auswirkungen ihrer Erkenntnisse bewertet die 23-Jährige mit der gebotenen wissenschaftlichen Zurückhaltung. Denn schliesslich kann Laura Ziegler bisher ausschliesslich Aussagen über die Coronaimpfung mit dem Biontech-Impfstoff machen. Ob daraus auch Schlussfolgerungen für andere Mehrfachimpfungen wie zum Beispiel die Influenzaimpfung oder Impfungen gegen Tropenkrankheiten zulässig sind, müssen weitere Studien zeigen. Es könnte aber durchaus sein, dass die ein oder andere Impfung mehr Durchschlagskraft hat, wenn sie in denselben Arm verabreicht wird.PS