Home/Was passiert im Gehirn, wenn wir über Geld oder Nahrung entscheiden?
imageBild: RUB

Was passiert im Gehirn, wenn wir über Geld oder Nahrung entscheiden?

Forscher der Neurowissenschaften aus Bochum belegen unterschiedliche Strategien bei der Wahl zwischen primären und sekundären Belohnungen. Hebel ist die Impulsivität. Die Erkenntnisse haben Bedeutung für das Verständnis von Suchtverhalten.

RUB29.4.20242"
Menschen treffen täglich Entscheidungen – von der Wahl des morgendlichen Outfits bis hin zum abendlichen Fernsehprogramm. Doch wie unterscheiden sich Entscheidungen, wenn es um lebenswichtige Nahrungsmittel im Vergleich zu Geld geht? Dieser Frage ist ein neurowissenschaftliches Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum nachgegangen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Burkhard Pleger vom Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil untersuchte es, welche Mechanismen der menschlichen Entscheidungsfindung bei sogenannten primären Belohnungen wie Nahrungsmitteln im Gegensatz zu sekundären Belohnungen wie Geld zugrunde liegen. Zudem analysierten die Wissenschaftler, in welchen Hirnarealen sich die verschiedenen Mechanismen verorten lassen.

Verhaltensmuster und Hirnfunktionen im Fokus
Entscheiden sich Menschen für Pommes und Erdbeerkuchen anders als für Geld? Genau das haben Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Sie präsentierten 28 Probanden je nach Vorliebe Pommes oder Schnitzel, Erdbeerkuchen oder Schokoriegel sowie Geld und liessen die Versuchspersonen wählen, ob sie eine bestimmte Menge des Angebots sofort oder eine grössere Menge zu einem späteren Zeitpunkt erhalten wollten. Im Versuch wurden Wartezeiten von zwei Tagen, zwei Wochen, einem, drei und sechs Monaten sowie einem Jahr vorgeschlagen. Je länger sich die Versuchspersonen entschlossen zu warten, desto grösser fiel die Belohnung in Form einer erhöhten Geld- oder Nahrungsmittelmenge aus.
Während der gesamten Untersuchung lagen die Probanden in einem Kernspintomografen, der die Hirnaktivität aufzeichnete.

Wertbeständigkeit von Geld und Haltbarkeit von Nahrung beeinflussen die Wahl
  • «Wir konnten zeigen, dass Entscheidungen für Essen impulsiver getroffen werden. Mit anderen Worten wird die sofort verfügbare Nahrung öfter gewählt als eine später verfügbare grössere Menge derselben Nahrung», erläutert Erstautor Marius Markmann.
  • «Bei Geld ist das anders. Hier wartet man lieber auf den höheren Geldbetrag. Das liegt daran, dass Geld länger wertbeständig ist, während der Wert von Nahrung an die Haltbarkeit der Nahrung gekoppelt ist.»
Die beobachteten Unterschiede spiegelten sich auch in der Hirnaktivität während der Entscheidungsfindung wider.
  • «Das menschliche Gehirn scheint bei der Wahl von Geldbeträgen eher Regionen zu involvieren, die für die Überwachung von Handlungen zuständig sind.
  • Bei Lebensmitteln hingegen werden Hirnregionen aktiv, die für Entscheidungen im sozialen Umfeld wichtig sind»,
beschreibt Pleger, der als Principal Investigator am Research Department of Neuroscience an der Ruhr-Universität forscht. «Bei den Hirnnetzwerken waren die Unterschiede allerdings geringer als von uns erwartet. Das spricht dafür, dass Entscheidungen über Essen und Geld ähnliche Verarbeitungswege im menschlichen Gehirn nehmen.»

Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit Suchtverhalten
Viele Studien konnten bereits zeigen, dass das menschliche Gehirn auf primäre Verstärker wie Nahrung anders reagiert als auf sekundäre Verstärker wie Geld. Wie sich dies im Verhalten des Menschen widerspiegelt, war bisher weniger gut erforscht. «Wir haben den Hebel bei der Impulsivität gefunden: Primäre Belohnungen wie Essen führen zu impulsiveren Entscheidungen», so Markmann, der als Doktorand in der neurologischen Forschung des Universitätsklinikums Bergmannsheil arbeitet. «Unser Ergebnis passt sich in die Erkenntnisse anderer Studien ein. Impulsive Personen zeigten dabei eine schwächere Selbstkontrolle und wiesen eine höhere Kalorienaufnahme sowie eine höhere Essfrequenz auf. Zudem neigten sie eher zu Internet-, Social-Media-, Smartphone-, Spiel- und Glücksspielsucht.»

Die Forscher aus Bochum sehen in diesem Zusammenhang auch direkt die nächste interessante Forschungsfrage im Bereich der menschlichen Entscheidungsfindung. «Bei Menschen mit Suchtverhalten ist die Selbstkontrolle über primäre Belohnungen ein kritischer Punkt», sagt Pleger. «Wenn wir aufdecken könnten, welche spezifischen Entscheidungsprozesse bei Suchtverhalten eine Rolle spielen, könnte dies zu neuen verhaltenstherapeutischen Ansätzen führen.»PS

  • Zur Originalpublikation
Markman M et al.: Differences in Discounting Behavior and Brain Responses for Food and Money Reward. eNeuro 2024.

Quelle: Ruhr-Universität Bochum (RUB), Medienmitteilung vom 26.04.2024

Rosenbergstrasse 115
8212 Neuhausen am Rheinfall
Telefon: +41 52 675 51 74
info@docinside.ch
www.docinside.ch

Handelsregistereintrag
Firmenname: DOCINSIDE AG
UID: CHE-412.607.286

Über uns
Bankverbindung

Schaffhauser Kantonalbank
8200 Schaffhausen
IBAN: CH76 0078 2008 2797 0810 2

Mehrwertsteuer-Nummer
CHE-412.607.286

Kontakte

Dr. med. Adrian Müller
Betrieb und Inhalte
adrian.mueller@docinside.ch

Dr. med. Richard Altorfer
Inhalte und Redaktion
richard.altorfer@docinside.ch

Dr. med. Christine Mücke
Inhalte und Redaktion
christine.muecke@docinside.ch

Copyright © 2021 Alle Rechte vorbehalten.
Powered by Deep Impact / Spectra