Die Infektionsbiologen am Deutschen Primatenzentrum haben sich auf die Analyse der Hemmung von SARS-CoV-2 durch Antikörper spezialisiert. Zusammen mit Forschenden von der Medizinischen Hochschule Hannover und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg haben sie untersucht, wie die neuen SARS-CoV-2 Omikron-Untervarianten durch Antikörper gehemmt werden. BA.2.12.1 und BA.4/BA.5 - das Spike-Protein dieser Varianten ist identisch - sind in vielen Ländern auf dem Vormarsch und BA.5 ist wesentlich für den Anstieg an Infektionen in Deutschland und in der Schweiz verantwortlich.
Das Team um Prerna Arora, Markus Hoffmann und Stefan Pöhlmann fand heraus, dass von zehn Antikörpern, die für die COVID-19 Therapie entwickelt wurden, nur zwei die Infektion mit BA.2.12.1, BA.4 und BA.5 zumindest teilweise hemmten und dass lediglich ein Antikörper, Bebtelovimab (LY-CoV1404), die Infektion mit allen Omikron-Untervarianten wirksam blockierte.
«Diese Ergebnisse bestätigen einen Trend, der sich bereits in unseren früheren Studien gezeigt hat: Omikron-Untervarianten werden durch die meisten therapeutischen Antikörper nicht gut gehemmt und die wenigen Antikörper, die gute Hemmung zeigen, sind häufig gegen eine Untervariante aktiv, aber nicht gegen eine andere. Es ist daher wichtig, dass zeitnah neue Antiköper für die Therapie entwickelt werden, um für zukünftige Varianten gut gerüstet zu sein», so Prerna Arora, Erstautorin der Studie.
BA.2.12.1, BA.4 und BA.5 werden schlechter durch Antikörper gehemmt
Antikörper von ungeimpften Personen, die sich im Frühjahr mit den Omikron-Untervarianten BA.1 oder BA.2 infiziert hatten blockierten zwar auch BA.2.12.1, waren aber gegen BA.4 und BA.5 kaum aktiv. Es ist daher davon auszugehen, dass eine durchgemachte Infektion mit BA.1 oder BA.2 nur einen geringen Schutz vor einer nachfolgenden Infektion mit BA.4 oder BA.5 bietet. Die Antikörperantwort nach einer Grundimmunisierung und Booster-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer hemmte alle Omikron Untervarianten, allerdings war die Hemmung deutlich geringer als die des Ursprungsvirus, das sich zu Beginn der Pandemie ausgebreitet hat. Zudem zeigte sich, dass BA.2.12.1, BA.4 und BA.5 weniger effizient gehemmt wurden als BA.1 und BA.2. Ähnliche Ergebnisse wurden auch für Antikörper erhalten, die nach Impfung und anschliessender Durchbruchinfektion gebildet wurden. Auch wenn diese sogenannte Hybrid-Immunität zu einer besonders starken Hemmung aller getesteten Varianten führte, war die Hemmung von BA.2.12.1, BA.4 und BA.5 deutlich reduziert.
Oben: Das Spike-Protein der SARS-CoV-2 Omikron-Untervariante BA.5 besitzt im Vergleich zum Ursprungsvirus vom Anfang der Pandemie mehrere Mutationen, die auch in den früheren Omikron-Untervarianten BA.1 und BA.2 gefunden wurden (rot). Zusätzlich trägt es aber auch Mutationen, die nicht in früheren Untervarianten beobachtet wurden (grün). Unten links: Die zusätzlichen Mutationen der Omikron-Untervariante BA.5 führen dazu, dass viele der therapeutisch-eingesetzten Antikörper an Wirksamkeit verlieren oder wirkungslos werden. Unten mittig: Darüber hinaus verleiht eine durchgemachte Infektion mit den früheren Omikron-Untervarianten BA.1 und BA.2 kaum Schutz gegenüber einer Infektion mit BA.5. Unten rechts: Auch der Schutz nach dreifacher Impfung ist für BA.5 verringert, die Reduktion fällt jedoch nur sehr gering aus. Abbildung: Markus Hoffmann
Antikörperfluchtvarianten
«BA.2.12.1 sowie insbesondere BA.4 und BA.5 sind Antikörperfluchtvarianten. Die Impfung wird dennoch vor einem schweren Verlauf schützen, der Schutz wird jedoch wahrscheinlich etwas geringer ausfallen als bei den vorher zirkulierenden Varianten», schliesst Markus Hoffmann, Letztautor der Studie. «Unsere zukünftigen Studien müssen zeigen, ob BA.2.12.1 und BA.4 und BA.5 nicht nur schlechter durch Antikörper gehemmt werden, sondern auch Lungenzellen besser infizieren. Wenn das der Fall sein sollte, ist ein Anstieg der Hospitalisierungen nicht auszuschliessen. Allerdings wurde ein solcher Effekt zumindest in Südafrika, wo BA.4 und BA.5 zuerst nachgewiesen wurden, bislang noch nicht beobachtet», sagt Stefan Pöhlmann, der die Studie gemeinsam mit Markus Hoffman geleitet hat.PS