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Wie kann «Work-Life-Balance» beim Gesundheitspersonal verbessert werden?

Sonja Weilenmann beschäftigt sich mit der psychischen Gesundheit beim Gesundheitspersonal. Die Psychologin am Unispital Zürich spricht über «Work-Life-Balance», wie das Gesundheitspersonal möglichst gesund bleiben kann und wie man die Sommerferien gestalten könnte, um Energie zu tanken.

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Frau Weilenmann, wie steht es generell um die «Work-Life-Balance» des Gesundheitspersonals?
Studien weltweit zeigen, dass die Zufriedenheit mit der «Work-Life-Balance» und der Freizeit bei Ärzten im Vergleich zur nichtärztlichen Bevölkerung tiefer liegt. Beispielsweise berichteten in einer Schweizer Studie rund 50 Prozent der über 500 befragten Assistenzärzte, dass sie aufgrund der Arbeit zu wenig Zeit haben oder zu erschöpft sind, um Freizeitbeschäftigungen nachzugehen, zum Beispiel Familie oder Hobbys. Dies ist deutlich höher als bei anderen Universitätsabgängern mit 30 Prozent oder innerhalb der arbeitenden Bevölkerung mit 20 Prozent. Zur Situation bei Pflegefachpersonen gibt es weniger Studien als zur Ärzteschaft, allerdings deuten diese auf ähnliche Probleme hin. Ein Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit kann zu einem Burnout führen. Allerdings ist ein solches Ungleichgewicht nur eine von vielen Belastungen in Gesundheitsberufen.

Was belastet das Gesundheitspersonal während der Arbeit am meisten?
An vorderster Stelle wird meistens das hohe Arbeitspensum angegeben. Dabei geht es um Dinge wie zu lange Arbeitszeiten, Schichtarbeit, zu viele Patienten pro Mitarbeiter oder Arbeitsaufgaben, die in die Freizeit gequetscht werden müssen. Häufig werden auch der hohe Dokumentationsaufwand und die zunehmende Bürokratisierung genannt. Damit geht einher, dass das Gesundheitspersonal weniger Zeit am Patienten verbringt, was das Gefühl der Sinnhaftigkeit oder Freude am Beruf schmälern kann. Denn viele haben sich für diesen Beruf entschieden, weil sie die Arbeit am Patienten oder an der Patientin schätzen. Darüber hinaus gibt es weitere belastende Faktoren wie zum Beispiel ein schlechtes Arbeitsklima oder wenig Wertschätzung im Beruf.

Wie erholt sich das dauerbelastete Gesundheitspersonal in der Freizeit am besten?
Letztlich muss diese Frage jeder und jede für sich selbst beantworten. Aus der Forschung lassen sich jedoch einige Empfehlungen ableiten: Beispielsweise kann es für die Erholung förderlich sein, wenn man eine psychische Distanz zur Arbeit und zum Alltag erlebt. So können die eigenen vier Wände unter Umständen weniger entspannend sein als ein Ausflug in die Natur oder Ferien weg von Zuhause. Ausserdem ist es wichtig, dass man sich Grenzen so setzen kann, wie man es braucht. Will ich nach Feierabend noch Geschäftsanrufe tätigen, lese ich E-Mails oder lege ich das Smartphone einfach weg? Auch das Schaffen bewusster symbolischer Übergänge wie beispielsweise der Wechsel von der Arbeitskleidung in die Freizeitkleidung oder das Pendeln nach Hause können zur Abgrenzung hilfreich sein. Entscheidend ist, in der Lage zu sein, seine Freizeit und auch seine Grenzen selbst zu bestimmen und sich nicht ausgeliefert zu fühlen.

Aber kann das Personal hier immer Einfluss nehmen?
Nein, auch der Arbeitgeber muss seinen Beitrag leisten. Es gilt beispielsweise, Schichten möglichst so zu planen, dass wichtige Bedürfnisse der Mitarbeitenden abgeholt werden und diese Einfluss auf die Planung nehmen können. Schichtpläne sollten auch genügend früh bekannt gegeben und nicht in letzter Sekunde wieder umgestellt werden, was den Mitarbeitenden hilft, ihr Privatleben zu organisieren. Mitunter spielen auch die Unternehmenskultur oder Vorbilder am Arbeitsplatz eine Rolle. Gilt es zum Beispiel als normal oder wird gar erwartet, dass man am Abend oder in den Ferien noch Mails beantwortet? Nicht zuletzt sollten Stellenprofile die tatsächlichen Aufgaben der Mitarbeitenden abbilden, damit Dinge wie Forschung, Lehre oder Ausbildung nicht zwangsläufig in der Freizeit stattfinden. Hier können Arbeitgeber einen grossen Teil dazu beitragen, dass die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeitenden gelingt.

Gibt es konkrete Beispiele für erholsame Freizeitaktivitäten?
Entscheidend ist die Frage: Was tut mir gut, um mich aktiv erholen zu können? Was macht mir Freude? Was fordert mich heraus? Wo kann ich aufgehen, sodass ich das Zeit- und Hungergefühl verliere? Die Forschung zeigt, dass vor allem aktive, kreative und körperliche Freizeitaktivitäten ein grösseres Potenzial zur Erholung aufweisen als passive Tätigkeiten. Zum Beispiel Sport, Malen oder Gartenarbeit im Gegensatz zu Fernsehen. Auch Outdoor- Aktivitäten haben ein grösseres Erholungspotenzial als Indoor-Aktivitäten. Und auch hier gilt: Es ist wichtig, dass die Freizeit als selbstbestimmt wahrgenommen wird.

Was empfehlen Sie jenen, die wenig Zeit haben?
Fokussieren Sie sich auf eine, vielleicht auch nur kleine Tätigkeit, die mehrere der oben genannten Punkte beinhaltet, und geniessen Sie diese richtig. Eine Bergwanderung oder auch nur eine kurze Joggingrunde beispielsweise ist herausfordernd und gibt einem so das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Ausserdem ist man draussen und körperlich aktiv, sodass man den Kopf gut lüften kann und Stresshormone abgebaut werden. Möglicherweise nehmen Sie noch Ihre Freunde oder Ihre Familie mit, wodurch die Aktivität eine soziale Komponente erhält. Was auch immer Sie für eine Aktivität wählen, es sollte in erster Linie für Sie stimmig sein.

Bald sind Sommerferien. Haben Sie praktische Empfehlungen an das Gesundheitspersonal?
Was für die Freizeit gilt, gilt natürlich auch für die Ferien: Gehen Sie an einen Ort, der Sie einnimmt und fasziniert und an dem Sie einen psychischen Abstand zu Ihrem Alltag erleben. Studien zeigen, dass in dieser Hinsicht die Natur und insbesondere Orte mit Wasser viel Potenzial haben. Wer sich von der Arbeit abgrenzen möchte, sollte sich Techniken zurecht legen, die das Setzen von Grenzen vereinfachen, und z.B. das Arbeitstelefon zuhause lassen. Gehen Sie Tätigkeiten nach, die Ihnen Freude bereiten, die Sie herausfordern, die aktiv oder kreativ sind und bei denen Sie sich am besten auch draussen bewegen. Ob Ihnen mehrere kurze oder wenige längere Pausen respektive Ferien gut tun, ist individuell verschieden. Jeder muss herausfinden, was für ihn am besten ist.PS

Quelle: Medinside, 24.06.2022

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