Auf der Suche nach Wirkstoffen gegen stressbdingte Krankheiten
Forscher der TU Darmstadt zeigen in zwei Veröffentlichungen neue Wege für die Behandlung stressbedingter Erkrankungen auf.
TU Darmstadt13.11.20232"
In der ersten Studie hat eine Arbeitsgruppe der TU Darmstadt die Architektur und Funktionsweise der Proteine FKBP51 und FKBP52 im Komplex mit dem Glukocortikoidrezeptor und dem Chaperon Hsp90, dem Protein, das für die Aktivierung des Glukocortikoidrezeptor notwendig ist, aufgeklärt (1).
Schlüsselrolle bei stressbedingten Störungen
Beide Proteine steuern die Steroidhormonrezeptoren (zum Beispiel den Glukocortikoidrezeptor), die unter anderem Stress- und Hormonsignale des Körpers verarbeiten. So spielen sie eine Schlüsselrolle bei stressbedingten Störungen und bei der korrekten Embryonalentwicklung. Wie FKBP51 und FKBP52 auf Steroidhormonrezeptoren wirken, war bisher unbekannt.
«Durch den systematischen Einbau photoreaktiver Aminosäuren konnten wir erstmals direkte Kontakte von FKBP51 und FKBP52 mit dem Glukocortikoidrezeptor in lebenden menschlichen Zellen abbilden», erklärt Asat Baischew, Erstautor der Veröffentlichung. «Dies ermöglicht es uns, eine Momentaufnahme des Glukocortikoidrezeptors in dem bisher schwer fassbaren Zustand vor der Aktivierung zu rekonstruieren», fügt Sarah Engel, zweite Schlüsselautorin der Publikation, hinzu.
Diese Studie zeigt,
wie FKBP51 und FKBP52 unterschiedlich mit dem Glukocortikoidrezeptor interagieren,
erklären die differenzielle Pharmakologie von FKBP51-bindende Substanzen (Liganden) und
liefern eine strukturelle Grundlage für die Entwicklung von FKBP-Liganden mit höherer Wirksamkeit.
Die gewonnenen Erkenntnisse eröffnen neue Ansätze für die Entdeckung verbesserter Medikamente zur Behandlung von Depressionen, diabetesbedingter Fettleibigkeit oder chronischen Schmerzen.
Besseres Verständnis der Immunophilin-Glucocorticoid-Rezeptor Interaktion ermöglich Wirkstoffentwicklung für Stress-assozierte Krankheiten: Aufklärung des Multiproteinkomplex aus FKBP51 (pink), HSP90 (blau) und Glucocorticoidrezeptor (gelb) durch ortsspezifischen Einbau der unnatürlichen Aminosäure para-Benzoyl-phenylalanin und Photocrosslinking in humanen Zellen (Vergrösserung rechts, modelliert basierend auf PDB-ID 7krj und 7l7i).
Protein FKBP51: potentielles Behandlungsziel
Mit der Frage, wie diese Behandlungswege konkret beschritten werden können, befasst sich eine zweite aktuelle Veröffentlichung der AG Hausch.
Die Forscher befassten sich hier speziell mit dem Protein FKBP51. Es ist ein wichtiger Regulator von Stresshormonrezeptoren und ein potentielles Angriffsziel zur Behandlung von Depression, Fettleibigkeit oder Diabetes. Jüngste biochemische Befunde zeigten jedoch, dass bisher verfügbaren Wirkstoffe zwar an FKBP51 binden, nicht aber dessen regulatorische Wirkung auf Stresshormon-Rezeptoren blockieren.
Induzierte Degradation von FKBP51 ermöglicht effizientere Wirkstoffe zur Kontrolle der Stresshormon-Antwort: Das PROTAC-Molekül SelDeg51 (blaue Stäbe) induzieren einen Komplex aus dem Protein FKBP51 (hellbraun) und den Proteinen VCB (grün), was die gezielte Degradation von FKBP51 in humanen Zellen ermöglicht (Struktur basierend auf PDB-ID 8PC2).
Forscher der AG Hausch haben nun sogenannte PROTACs (Proteolysis Targeting Chimeras) für FKBP51 entwickelt. Dies erlaubt es erstmals, durch pharmakologische Behandlung das FKBP51-Protein in seiner Gesamtheit in lebenden menschlichen Zellen abzubauen, anstatt wie bisher nur Teile davon zu inhibieren. «FKBP51 erwies sich als ausserordentlich hartnäckig gegenüber induziertem Protein-Abbau», erklärt Thomas Geiger, Erstautor der Veröffentlichung. «Anders als bei dem kleineren, verwandten Protein FKBP12 mussten über 220 PROTAC-Varianten hergestellt und getestet werden, bevor mit der Substanz SelDeg51 ein Molekül mit ausreichender Aktivität und Selektivität gefunden wurde.»
Die Studie eröffnet einen fundamental neuen Ansatz, um die molekularen Funktionen von FKBP51 zu treffen. Dieser soll nun zu verbesserten Medikamenten für stressbedingte Krankheiten weiterentwickelt werden.PS